Stand: 08.03.2024, 17:00 Uhr

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Mehr Frauen in führende Ämter, Lohnlücke aufheben und vieles mehr.

Die kommenden Wahlen zum Europäischen Parlament im Juni geben uns die Gelegenheit zu entscheiden, welche Richtung die EU in den nächsten Jahren einschlagen soll. Europas Bürgerinnen und Bürger geben ihre Stimme ab und gestalten damit die Zukunft unserer Union mit. Was die Gleichstellung der Geschlechter betrifft, müssen wir verfestigte Ungleichheiten und Klischeevorstellungen überwinden, damit Frauen und Mädchen ihr Leben selbstbestimmt und frei gestalten können.

Ungleichheiten bestehen bei gesellschaftlichen Erwartungen daran, wer Betreuungs- und Pflegeaufgaben übernimmt, und äußern sich auch in Form von Diskriminierung beim Zugang zu Jobs, Waren und Dienstleistungen sowie in Form eines höheren Risikos für Gewalterfahrungen. Frauen haben weniger Wahlfreiheit in ihren Lebensentscheidungen, übernehmen überproportional oft unbezahlte Betreuungsarbeit und sind in politischen und leitenden Funktionen unterrepräsentiert. Das ist ein Nachteil für Frauen, aber auch für unsere Gesellschaften und unsere Union.

Die Ernennung von Ursula von der Leyen zur ersten Präsidentin der Europäischen Kommission war ein wichtiges politisches Signal für Europa. Unter Präsidentin von der Leyen wurde die Gleichstellung der Geschlechter zu einer Priorität der Kommission. Das zeigte sich am ausgewogenen Geschlechterverhältnis im Kollegium der Kommissionsmitglieder und an der Schaffung des ersten Mandats für eine Kommissarin für Gleichheitspolitik.

Gleichstellung erreicht man allerdings nicht durch Symbolik allein und ganz sicher nicht mit Alibi-Maßnahmen. Damit sich langfristig etwas ändert, muss sie in allen Lebensbereichen verankert sein und die Aufgabenverteilung und Erwartungshaltung in der Gesellschaft beeinflussen. Es geht darum, ein Umfeld zu schaffen, das Frauen und Mädchen in all ihrer Vielfalt dabei unterstützt, zu wachsen und sich frei zu entfalten.

Ein Leben ohne Gewalt spielt dabei eine besonders wichtige Rolle, weshalb wir die Sicherheit von Frauen und Mädchen zur Priorität erklärt haben. Ich habe mich diesem Thema in meiner Amtszeit besonders verschrieben, etwa mit der Ratifizierung der Istanbul-Konvention und der Vorlage einer Gewaltschutzrichtlinie, zu der es seit kurzem eine Einigung gibt. Erstmals gelten damit für Frauen in Europa EU-weite Mindeststandards unabhängig von Herkunft und Wohnsitz.

Die EU-Staaten müssen nach der Richtlinie dafür sorgen, dass Straftaten im Zusammenhang mit Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt sicher, geschlechtssensibel und einfacher angezeigt werden können. Die Richtlinie enthält außerdem Standards für die Gewaltprävention durch Aufklärung und Sensibilisierung, für den Schutz und die Unterstützung von Gewaltopfern, etwa durch Schutzunterkünfte und Beratungshotlines, und für die Strafverfolgung der Täter. Als eigenständige Straftaten gelten mit der Richtlinie nun auch weibliche Genitalverstümmelung, Zwangsehen und Cybergewalt.

EU-weit sind es immer noch überwiegend Frauen, die unbezahlte Betreuungsaufgaben und Hausarbeit übernehmen. Das wirkt sich negativ auf ihre Teilhabe am Erwerbsleben aus. Die Erwerbstätigkeit und Unabhängigkeit von Frauen hängt davon ab, welche Strukturen für die Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben verfügbar sind, weshalb wir uns für Veränderungen starkgemacht haben.

Wir haben uns für eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie für Eltern und Erziehungsberechtigte eingesetzt, mit zehn Tagen bezahltem Vaterschaftsurlaub sowie zwei Monaten nicht übertragbarem Elternurlaub, und wir haben dazu beigetragen, dass hochwertige Kinderbetreuung besser verfügbar, zugänglich und leistbar ist.

Zudem haben wir mehrere Initiativen gestartet, um die wirtschaftliche Stellung von Frauen zu stärken und ihnen mehr Möglichkeiten für eine gleichberechtigte und erfolgreiche wirtschaftliche Teilhabe zu geben. Ein Beispiel sind die neuen Regeln für Lohntransparenz, mit denen der Grundsatz „Gleiches Geld für gleiche Arbeit“ Realität werden soll. Ein anderes Beispiel sind unsere neuen Vorschriften zur ausgewogenen Vertretung von Frauen und Männern in Aufsichtsräten, die bis 2026 dazu führen sollen, dass das unterrepräsentierte Geschlecht sichtbarer wird.

Im Hinblick auf die Europawahlen sollten wir uns nicht nur auf die Wahlbeteiligung und Vertretung von Frauen konzentrieren – so wichtig beides auch ist –, sondern wirklich darauf hinwirken, dass sich alle Frauen in Europa frei entfalten, Führungsrollen übernehmen und gewaltfrei leben können.

Daher lautet mein Appell an uns alle: Nehmen wir den diesjährigen Internationalen Frauentag zum Anlass, um uns noch stärker für eine Zukunft zu engagieren, in der die Gleichstellung der Geschlechter Teil unserer gesellschaftlichen DNA ist.

Helena Dalli ist EU-Kommissarin für Gleichheitspolitik.

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Gleichberechtigung vollenden

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08.03.2024

Stand: 08.03.2024, 17:00 Uhr

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Mehr Frauen in führende Ämter, Lohnlücke aufheben und vieles mehr.

Die kommenden Wahlen zum Europäischen Parlament im Juni geben uns die Gelegenheit zu entscheiden, welche Richtung die EU in den nächsten Jahren einschlagen soll. Europas Bürgerinnen und Bürger geben ihre Stimme ab und gestalten damit die Zukunft unserer Union mit. Was die Gleichstellung der Geschlechter betrifft, müssen wir verfestigte Ungleichheiten und Klischeevorstellungen überwinden, damit Frauen und Mädchen ihr Leben selbstbestimmt und frei gestalten können.

Ungleichheiten bestehen bei gesellschaftlichen Erwartungen daran, wer Betreuungs- und Pflegeaufgaben übernimmt, und äußern sich auch in Form von Diskriminierung beim Zugang zu Jobs, Waren und Dienstleistungen sowie in Form eines höheren Risikos für Gewalterfahrungen. Frauen haben weniger Wahlfreiheit in ihren Lebensentscheidungen, übernehmen überproportional oft unbezahlte Betreuungsarbeit und sind in politischen und leitenden Funktionen unterrepräsentiert. Das ist ein Nachteil für Frauen, aber auch für unsere Gesellschaften und unsere Union.

Die Ernennung von Ursula von der Leyen zur ersten........

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