Stand: 02.05.2024, 15:38 Uhr

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Die EU sollte sich beim Lobbyregister an den USA und nicht an Russland orientieren.

Agentengesetz“ klingt gefährlich, wenn man davon ausgeht, dass damit Agententätigkeit geregelt wird. Das „ausländische Agentengesetz“ in Russland ist aber nicht gegen Agenten gerichtet, sondern trifft politisch Aktive, Nichregierungsorganisationen (NGO) und Medien. Die Grundidee war eine andere und die ist gut und nachahmenswert.

Der Prototyp stammt aus den USA. Der „Foreign Agent’s Registration Act“ (Fara) von 1938 sollte Nazi-Propaganda abwehren. Seither tragen sich ausländische Akteure, die in den USA lobbyieren, in das Fara-Register beim US-Justizministerium (DOJ) ein; online und für alle einsehbar. Im Transparenz-Gesetz geht es nicht um Agenten.

In seiner langen Geschichte gab es kaum einen Fall, wo Strafverfolgung oder Sanktionen angewandt wurden. Bezeichnend ist ein Fall von 1951, als ein Pazifist Verdacht erregte für die UdSSR zu spionieren. William du Bois weigerte sich seinen Peace Information Center einzutragen. Vor Gericht wurde er frei gesprochen, als nicht „staatsgefährdend“ eingestuft.

Dass das Fara-Transparenz-Register bis heute liberal gehandelt wird, zeigt der Umgang mit Russia Today, das inzwischen in der EU gesperrt ist. In den USA genügte der Eintrag ins Register. Ob sich ein restriktives Potential des Acts im Mai 2024 zeigen wird, wenn der Fall von Senator Bob Menendez verhandelt wird, der im Auftrag Ägyptens versucht haben soll, Politik zu beeinflussen, wird sich zeigen.

Fara ermöglicht es der PR-Forschung, ausländische Lobbyaktivitäten zu recherchieren. So bot es die Grundlage für Jörg Becker und Mira Beham bei der Erforschung der PR-Aktivitäten in den Balkankriegen der 1990er Jahre. Eine vergleichbare Recherchegrundlage kann man sich für Deutschland nur wünschen. Allerdings nicht in der russischen Variante, das den (ausländischen) Akteur zum „Agenten“ macht und einen völlig anderen Charakter hat als das Vorgestellte. 2012 wurde in Russland ein „ausländisches Agentengesetz“ erlassen, das unter anderem den Begriff „Infoagent“ verwendet. Aber die Gemeinsamkeiten zur US-Vorlage enden schnell.

Während der Eintrag in den USA selbständig erfolgt, findet der Eintrag in Russland von Amts wegen statt. Man kann von diesem überrascht werden, auch natürliche Personen ohne Verbindungen zum Ausland. Der Eintrag stellt zudem ein Datenschutzproblem dar, weil in Russland damit sowohl Geburtsdatum als auch Versicherungsnummer öffentlich gemacht werden.

Diese falsch verstandene Transparenz bedroht die Betroffenen. Wenn eine NGO tatsächlich Geld aus dem Ausland erhält, fällt sie sofort unter den Act. Die Berichtspflicht für Gelistete behindert die selbstbestimmte Arbeit. Viele geben auf oder werden aufgelöst, andere greifen auf staatliche Fördermittel zurück. Der Kontrollwunsch des Staates wird überdeutlich.

Die Gründe könnten in diversen Farbrevolutionen in Osteuropa liegen, die von außen mit Geld und PR-Know-How befeuert wurden. Putin mag sich bestätigt gefühlt haben, als Victoria Nuland die Dollar-Summe verriet, mit der 2014 die Proteste in der Ukraine gestützt wurden.

Auch die Ukraine hat inzwischen ein „Agentengesetz“. Ob dieses eher nach russischem oder US-Muster ausgerichtet ist, wäre zu prüfen. Aber die Bezeichnung „ausländisches Agentengesetz“ begünstigt die schnelle Assoziation mit dem russischen Modell.

Bei mit Russland befreundeten Ländern ist diese Herkunft auch wahrscheinlich: Belarus, Ungarn, Nicaragua. In Kirgistan und Georgien gab und gibt es Widerstand gegen das russische Modell. Neuerdings will auch die Slowakei eins einführen. Ungarn tat es und wurde von der EU zur Rücknahme verpflichtet. Hingegen hat Polen ein solches Gesetz implementiert, ob seiner Nähe zu den USA wohl eher nicht in der russischen Variante.

Dort, wo die Gesetze klar gegen ausländische NGOs gerichtet sind, deutet das auf den direkten Bezug zu Russland hin. Aber auch Israel hat 2016 eine restriktive Rechtsgrundlage geschaffen, die sich vor allem gegen Menschenrechts-NGO richtet, jedoch nur „Transparenzgesetz“ heißt.

In Deutschland stehen Register-Initiativen auf unterschiedlichen Blättern. Mit dem Lobbyregister (Bundestag) gibt es erste Schritte in Richtung Transparenz bei politischer Einflussnahme. „Politische Betätigungsverbote“, wie sie nun im Kontext eines „Palästina-Kongresses“ in Berlin ausgesprochen wurden, basieren auf dem Aufenthaltsgesetz für Ausländerinnen und Ausländer. Deren Anwendung bleibt aktuell intransparent, weil etwa Yanis Varoufakis als EU-Politiker betroffen ist. Mehr Transparenz durch Dokumentation in Registern könnte also auch vor willkürlicher Anwendung schützen.

Das in Planung befindliche Lobbyregister der EU sollte sich also an der Fara-Vorlage aus den USA orientieren. Transparenz ist gut, Absicherung gegen Missbrauch noch besser.

Sabine Schiffer ist Professorin für Journalismus und Kommunikation an der HMKW (Media University) in Frankfurt. In Berlin leitet sie das Institut für Medienverantwortung.

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Von Agenten und Transparenz

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02.05.2024

Stand: 02.05.2024, 15:38 Uhr

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Die EU sollte sich beim Lobbyregister an den USA und nicht an Russland orientieren.

Agentengesetz“ klingt gefährlich, wenn man davon ausgeht, dass damit Agententätigkeit geregelt wird. Das „ausländische Agentengesetz“ in Russland ist aber nicht gegen Agenten gerichtet, sondern trifft politisch Aktive, Nichregierungsorganisationen (NGO) und Medien. Die Grundidee war eine andere und die ist gut und nachahmenswert.

Der Prototyp stammt aus den USA. Der „Foreign Agent’s Registration Act“ (Fara) von 1938 sollte Nazi-Propaganda abwehren. Seither tragen sich ausländische Akteure, die in den USA lobbyieren, in das Fara-Register beim US-Justizministerium (DOJ) ein; online und für alle einsehbar. Im Transparenz-Gesetz geht es nicht um Agenten.

In seiner langen Geschichte gab es kaum einen Fall, wo Strafverfolgung oder Sanktionen angewandt wurden. Bezeichnend ist ein Fall von 1951, als ein Pazifist Verdacht erregte für die UdSSR zu spionieren. William du Bois weigerte sich seinen Peace Information Center einzutragen. Vor Gericht wurde er frei gesprochen, als nicht „staatsgefährdend“ eingestuft.

Dass das Fara-Transparenz-Register bis heute liberal gehandelt wird, zeigt der........

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