Stand: 21.04.2024, 18:52 Uhr

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Die Eskalation in Nahost zeigt die Dringlichkeit von Lösungen, um den nuklearen Flächenbrand zu verhindern. Der Gastbeitrag von Angelika Claußen.

Im Nahen Osten droht nach dem iranischen Angriff auf Israel sowie dem israelischen Gegenangriff ein Flächenbrand. Ein Krieg Israels gegen den Iran hätte katastrophale humanitäre Folgen weit über die Region hinaus. Das liegt an dem atomaren Eskalationspotential des Krieges.

Nun rächt sich die Aufkündigung des Iran-Atomabkommen durch Präsident Donald Trump im Jahr 2018. Das Abkommen wurde drei Jahre zuvor zwischen Iran und den USA, Frankreich, Großbritannien, Deutschland, Russland und China geschlossen und verpflichtete den Iran, sein ziviles Atomprogramm und insbesondere die Uran-Anreicherung zu beschränken und keine Atomwaffen zu bauen. Im Gegenzug wurden Sanktionen gegen das Land aufgehoben.

Trotz vielfacher Warnungen europäischer Regierungen, dass eine Aufkündigung des Abkommens den Weltfrieden gefährden könnte, hatte der US-Präsident den einseitigen Ausstieg aus dem Abkommen erklärt. US-Expert*innen der Internationalen Atomenergiebehörde zufolge verfügt der Iran inzwischen über genug angereichertes Uran für mindestens drei Atombomben, wie die „Washington Post“ berichtete.

Obendrein ist zu erwarten, dass die Nachbarn Irans, insbesondere sein Regionalrivale Saudi-Arabien nachziehen sollten, würde der Iran tatsächlich eine Atombombe entwickeln. Sollte der Konflikt mit Israel weiter eskalieren, steigt das Risiko erheblich, dass das Land versuchen wird, verlorenes Abschreckungspotenzial über eigene Atombomben zu kompensieren, betont Azadeh Zamirirad von der Stiftung Wissenschaft und Politik.

Israel hat sein Atomwaffenpotential nie offiziell zugegeben, droht jedoch in Krisensituationen immer wieder, es könne Atomwaffen einsetzen. Zuletzt schlug im November 2023 der israelische Kulturerbe-Minister Amichai Elijahu vor, eine Atombombe auf Gaza abzuwerfen. Expert*innen schätzen, dass Israel mindestens 90 einsatzfähige Atomwaffen besitzt.

Die israelische Regierung hat mehrfach Atomanlagen im Nahen Osten zerstört. 1981 bombardierte Israel den von Frankreich gebauten Kernreaktor Tammuz-1 im Irak. Am 6. September 2007 flogen acht Kampfflugzeuge der israelischen Luftwaffe einen Angriff auf den al-Kibar-Reaktor im Nordosten von Syrien.

Welche Szenarien könnte die jetzt von Israel angedrohte Antwort auf den iranischen Angriff beinhalten, über den mutmaßlich israelischen Angriff auf Isfahan in der vorigen Woche hinaus? Es ist eine Illusion zu glauben, Israel könne Irans Nuklearprogramm mittels Bombenangriffen, etwa auf die unterirdisch gelegene Urananreicherungsanlage in Natanz, zerstören.

Allerdings wird in israelischen Geheimdienstkreisen durchaus erwogen, bunkerbrechende Waffen aus US-Produktion gegen iranische Atomanlagen einzusetzen. Ein solcher Angriff mit großen Zerstörungen und vielen zivilen Toten würde unweigerlich in einen offenen Krieg führen.

Wie lässt sich diese brandgefährliche Situation entschärfen? Jedenfalls nicht militärisch. Die ständigen Mitglieder des Sicherheitsrats, USA auf der einen, China und Russland auf der anderen Seite, haben die Verantwortung, alle Seiten zur Deeskalation zu mahnen und Israel und den Iran zu drängen, auf weitere Angriffe zu verzichten.

Zudem sollte Deutschland als Teil der EU die Idee einer Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit im Nahen und Mittleren Osten vorantreiben. Ein solcher Verhandlungsprozess könnte zu konkreter Zusammenarbeit bei Infrastrukturprojekten, Energiekooperationen und Umweltschutz führen. Dies würde das Verhältnis zwischen Iran und Israel entspannen. Abrüstung und Ächtung von Massenvernichtungswaffen stellen einen weiteren wichtigen Teil dieses Projekts dar.

Im November 2019 führten die UN eine Konferenz für den Aufbau einer massenvernichtungswaffenfreien Zone im Nahen und Mittleren Osten durch, an der sich 23 Staaten beteiligten. Leider boykottierten die USA und Israel die Konferenz. Die teilnehmenden Staaten verpflichteten sich zur Ausarbeitung eines verbindlichen Vertrages zur Ächtung von Massenvernichtungswaffen. Dieser sollte Vertrauen zwischen den Konfliktparteien aufbauen und die Region vor einem atomaren Wettrüsten bewahren.

Langfristig müssen Atomwaffen völkerrechtlich verboten werden. Solange atomare Abschreckung Teil nationaler Sicherheitsdoktrinen ist, besteht die Gefahr ihres Einsatzes. Der Atomwaffenverbotsvertrag, der 2017 beschlossen wurde und den 70 Staaten ratifiziert haben, ist der realistischste Weg zur koordinierten Abschaffung aller Atomwaffen. Angesichts der drohenden weltweiten atomaren Aufrüstung liegen diese diplomatischen Lösungen im Interesse aller Staaten einschließlich der Atomwaffenstaaten.

Angelika Claußen ist Vorsitzende der deutschen Sektion der Internationalen Ärzt:innen für die Verhütung des Atomkrieges e.V. (IPPNW)

QOSHE - Was lässt sich gegen die Gefahr einer iranischen Atombombe ausrichten? - Fr Author
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Was lässt sich gegen die Gefahr einer iranischen Atombombe ausrichten?

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22.04.2024

Stand: 21.04.2024, 18:52 Uhr

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Die Eskalation in Nahost zeigt die Dringlichkeit von Lösungen, um den nuklearen Flächenbrand zu verhindern. Der Gastbeitrag von Angelika Claußen.

Im Nahen Osten droht nach dem iranischen Angriff auf Israel sowie dem israelischen Gegenangriff ein Flächenbrand. Ein Krieg Israels gegen den Iran hätte katastrophale humanitäre Folgen weit über die Region hinaus. Das liegt an dem atomaren Eskalationspotential des Krieges.

Nun rächt sich die Aufkündigung des Iran-Atomabkommen durch Präsident Donald Trump im Jahr 2018. Das Abkommen wurde drei Jahre zuvor zwischen Iran und den USA, Frankreich, Großbritannien, Deutschland, Russland und China geschlossen und verpflichtete den Iran, sein ziviles Atomprogramm und insbesondere die Uran-Anreicherung zu beschränken und keine Atomwaffen zu bauen. Im Gegenzug wurden Sanktionen gegen das Land aufgehoben.

Trotz vielfacher Warnungen europäischer Regierungen, dass eine Aufkündigung des Abkommens den Weltfrieden gefährden könnte, hatte der US-Präsident den einseitigen Ausstieg aus dem Abkommen erklärt. US-Expert*innen der Internationalen Atomenergiebehörde zufolge verfügt........

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