Stand: 23.04.2024, 17:34 Uhr

Von: Harry Nutt

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Wer sich mit kostbarem Olivenöl oder Käse von anderen abheben will, der muss die Güter auch richtig lagern. Sonst steht man schnell dumm da.

Manchmal ist die Zeit einfach reif für Dinge, die man aus den Augen verloren hatte. Eher zufällig hatte mein Blick eine kleine dunkle Flasche in der Wohnzimmerbar gestreift und unmittelbar das Bedürfnis heraufbeschworen, endlich deren Inhalt zu probieren.

Es handelte sich um einen sogenannten Vintage Port, Jahrgang 1987, den wir uns aufgehoben haben. Dabei gehört der 1987er lediglich zu den Zwischenjahrgängen. Es sind immer nur besonders gute Jahrgänge, die das Gütesiegel eines Vintage Port erhalten, etwa 1985 und 1977.

Wir aber hatten nach einem Portugalurlaub den im praktischen Halbflaschenformat abgefüllten Schatz nach Hause getragen – und dann vergessen. Ob der überhaupt noch gut war? Es gehört zu den Gemeinplätzen, dass Port gut altert, zumindest bei sachgemäßer Lagerung.

Dass wir diesbezüglich versagt hatten, wurde uns bereits beim Öffnen des Fläschchens bewusst. Der Korken zerbröselte zu feinem Granulat und entlarvte uns als Dilettanten und Möchtegernfeinschmecker. Aber wir wollten nicht aufgeben und fingen den Flascheninhalt durch ein Teesieb auf. Es mag im Widerspruch zur hohen Schule der Genusspraktiken stehen, gehört seither aber zu unserer Familienerzählung über den Umgang mit kostbaren Lebensmitteln.

Weit empfindlicher als Portwein ist gutes Olivenöl, dessen Weltmarktpreise nach gleich zwei spanischen Missernten in die Höhe geschossen sind. In dem mittelständischen Großstadtmilieu, in dem wir uns bewegen, gehört die Wahl des richtigen Öls zu den hervorstechenden Distinktionsmerkmalen. Wer auf sich hält, bewegt sich jenseits der üblichen Großhandelspfade.

Ob Mittelmeer oder Toskana, man führt die Fünf-Liter-Kanister aus lokalen Manufakturen ungelenk im Urlaubsgepäck mit und gibt sie anschließend in kleineren Dosen generös an Freunde ab, nicht ohne ausführlicher Wiedergabe der dazugehörigen Erwerbsgeschichte. Ob und wie es schmeckt, ist von nachrangiger Bedeutung.

Wer auf sein Olivenöl hält, gibt sich als kultivierter Propagandist der Nachhaltigkeit zu erkennen. Durch die Folgen der Klimaveränderung sind die Preise für hochwertiges Olivenöl drastisch gestiegen. Die anhaltende Trockenheit wirkt sich auf Fruchtentwicklung in der Reifezeit aus und milde Winter haben den Schädlingsbefall forciert. Die Preise für die Güteklasse natives Olivenöl extra liegen inzwischen bei 50 Euro pro Liter oder mehr.

Als begehrte Lebensmittel für demonstrativen Konsum und distinktive Akkumulation des Ansehens galten unter besonderer Berücksichtigung ihrer Herstellungsarten exquisite Käsesorten.

Der Parmigiano Reggiano, Inbegriff des italienischen Parmesan, hat es dabei zur harten Währung gebracht, die selbst von Geldeintreibern der unfeinen Sorte als valides Äquivalent angesehen wird. Ein Laib entsprechend gereifter Hartkäse ist wegen seines stabilen Werts von 10 000 Euro und mehr in kriminellen Milieus als Diebesgut inzwischen beliebter als Schmuck und schnelle Autos.

Inspiriert wurde mein womöglich sentimentales Wohlwollen für Käse, Wein und Öl kürzlich durch einen Beitrag über NFTs, digitale Kunstwerke, denen nachgesagt wurde, den Kunstmarkt zu revolutionieren. Heute gelten die millionenfach in Umlauf gebrachten zertifizierten Dateien als weitgehend geschmack- und wertlos. Schadenfreude? I wo!

Harry Nutt ist Autor.

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Die Kunst der Aufbewahrung

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23.04.2024

Stand: 23.04.2024, 17:34 Uhr

Von: Harry Nutt

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Wer sich mit kostbarem Olivenöl oder Käse von anderen abheben will, der muss die Güter auch richtig lagern. Sonst steht man schnell dumm da.

Manchmal ist die Zeit einfach reif für Dinge, die man aus den Augen verloren hatte. Eher zufällig hatte mein Blick eine kleine dunkle Flasche in der Wohnzimmerbar gestreift und unmittelbar das Bedürfnis heraufbeschworen, endlich deren Inhalt zu probieren.

Es handelte sich um einen sogenannten Vintage Port, Jahrgang 1987, den wir uns aufgehoben haben. Dabei gehört der 1987er lediglich zu den Zwischenjahrgängen. Es sind immer nur besonders gute Jahrgänge, die das Gütesiegel eines Vintage Port erhalten, etwa 1985 und 1977.

Wir aber hatten nach einem Portugalurlaub den im praktischen Halbflaschenformat abgefüllten........

© Frankfurter Rundschau


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