Stand: 16.02.2024, 13:49 Uhr

Von: Jan Christian Müller

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Es regt sich massiver Protest gegen die Deutsche Fußball Liga, die mit einem Investor die Marke Bundesliga aufhübschen will. Der Druck könnte wirken. Der Kommentar

Am Wochenende rollt wieder der Ball in der Fußball-Bundesliga. Wenn er denn tatsächlich rollt. Denn die Situation eskaliert. Es kommt zu Unterbrechungen von bis zu mehr als einer halben Stunde, weil Fans Tennisbälle, Kamelle, Zitronen, Äpfel, Schokotaler oder Flummis in den Strafräumen verteilen. Es drohen Spielabbrüche und Punktabzüge – und dann eine Situation, die wohl niemand mehr steuern kann.

Die verunsicherten Steuermänner geraten nicht nur von Fanseite unter Druck. Jetzt fordert Zweitligist Hannover 96 den Rücktritt der Bosse der Deutschen Fußball-Liga um Aufsichtsratschef Hans-Joachim Watzke und die noch taufrischen Geschäftsführer Steffen Merkel und Marc Lenz. Eine solche Volte hat es in dieser Form noch nie gegeben. Die Bundesliga ist bis ins Mark getroffen.

Der deutsche Profifußball befindet sich somit in der größten Krise seit dem Bundesligaskandal 1971, als reihenweise Spiele gegen Geldzahlungen verschoben wurden, der Kirch-Krise 2002, als der Zusammenbruch des Medienimperiums zu dreistelligen Millionenausfällen an TV-Geldern führte, und der Corona-Pandemie, als nur die Übertragung von Geisterspielen viele Klubs vor dem Exitus bewahrten.

Seit Wochen begehren die Kurven dagegen auf, dass die Deutsche Fußball-Liga sich auf der Zielgeraden wähnt, für 20 Jahre einem Investor aus der Finanzbranche die Tür zu öffnen. Von ursprünglich sechs Bewerbern ist nur der Private Equity Fonds CVC übriggeblieben. Die Beteiligungsgesellschaft mit Sitz in Luxemburg und Office in Frankfurt, in der sich auch Geld aus Saudi-Arabien versteckt, ist bereit, eine Milliarde Euro an die erste und zweite Bundesliga zu zahlen und hofft, dass binnen zwei Jahrzehnten ein Vielfaches dieser Summe an sie zurückfließt. Nur dann wären die Investoren, die zweistellige Renditen erwarten, mit der Anlage ihres Risikokapitals zufriedengestellt.

Die DFL will mit dem frischen Geld eine digitale Streamingplattform aufbauen, um den deutschen Profifußball im Ausland besser vermarkten zu können. Man erhofft sich eine Steigerung der Einnahmen in Amerika, Asien und Afrika von derzeit rund 200 Millionen Euro pro anno um das Dreifache. Schon bei einer Verdoppelung würde das Geschäftsmodell mit CVC zur Win-Win-Situation werden. Aber sicher ist das nicht. Sollten sich die Einnahmen nicht steigern lassen, würden jährlich bis 2044 rund hundert Millionen Euro an den Fonds abfließen – ein Horrorszenario für die Vereine, von denen es nur wenige geschafft haben, sich mit der Vervierfachung der Gesamteinnahmen seit der Jahrhundertwende auf inzwischen fast vier Milliarden Euro pro Saison ein bisschen Fett anzufressen.

Es geht den Fanorganisationen, die laut Umfragen auch Unterstützung von den Sitztribünen und aus den Wohnzimmern erfahren, in ihrem Protest nicht nur gegen den Einflug einer Heuschrecke in die Fußball-Bundesliga. Sondern vor allem um die Art und Weise. Nämlich darum, dass bei der Abstimmung über den Investoreneinstieg im Dezember 2023 die weltweit beispiellose 50 1-Regel der Bundesliga mutmaßlich mit Füßen getreten wurde. Sie besagt, dass die mitgliedergeführten Muttervereine hierzulande mit 50 plus einer Stimme über den kommerziell orientierten Profiabteilungen stets die Mehrheit innehaben müssen. Bei Hannover 96 wurde diese Regelung offenkundig ignoriert. Geschäftsführer Martin Kind lehnte es ab, sich in der geheimen Abstimmung der Weisung des Stammvereins zu beugen.

Dass die DFL diese dringend zu vermutende Rechtsbeugung gerne goutierte, weil Kinds Stimme die entscheidende war, um die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit für das Milliardengeschäft zu sichern, sorgt für die geballte Fan-Wut. Und noch eines kommt hinzu: Die Fanvertreter:innen fühlen sich von den Ligabossen nicht ernstgenommen. Die Entfremdung vom Fußballbusiness könnte kaum größer sein, was nichts daran ändert, dass die Stadien an den meisten Standorten rappelvoll sind.

Während der Pandemie versprach die DFL, man werde den Unterhaltungsbetrieb mit Demut vorantreiben. Diese vermissen die Fans jetzt, da die 50 1-Regel skrupellos für ein Milliardengeschäft ausgehebelt wurde. In der Pandemie gründete die DFL eine „Taskforce Zukunft Profifußball“ und band auch Fans mit ein. Nach Abschluss der Erörterungen sprach der damalige DFL-Boss Christian Seifert davon, dies sei der „Auftakt eines kontinuierlichen Prozesses der Kommunikation mit elementaren Anspruchsgruppen des Profifußballs“. Drei Jahre später spüren die anspruchsvollen Fans davon nur noch wenig.

Das Dilemma könnte kaum größer sein. Mit einem Investor auf dem Spielfeld möchte die DFL die Marke Bundesligafußball aufhübschen. Derzeit passiert das Gegenteil: Die Fanproteste schaden dem Produkt. Im Frühjahr sollen die Sender und Streamingplattformen ihre Gebote für die nationalen Bundesligaübertragungen 2025 bis 2029 abgeben. Schon bei der letzten Auktion sanken die Preise. Um zu verhindern, dass sich das wiederholt, muss der Ball verlässlich rollen. Noch nie in 61 Jahren Bundesliga war die Macht der Kurven so groß wie jetzt.

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Kraftvoller Protest gegen Investoren-Deal: Die Macht der Fans

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18.02.2024

Stand: 16.02.2024, 13:49 Uhr

Von: Jan Christian Müller

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Es regt sich massiver Protest gegen die Deutsche Fußball Liga, die mit einem Investor die Marke Bundesliga aufhübschen will. Der Druck könnte wirken. Der Kommentar

Am Wochenende rollt wieder der Ball in der Fußball-Bundesliga. Wenn er denn tatsächlich rollt. Denn die Situation eskaliert. Es kommt zu Unterbrechungen von bis zu mehr als einer halben Stunde, weil Fans Tennisbälle, Kamelle, Zitronen, Äpfel, Schokotaler oder Flummis in den Strafräumen verteilen. Es drohen Spielabbrüche und Punktabzüge – und dann eine Situation, die wohl niemand mehr steuern kann.

Die verunsicherten Steuermänner geraten nicht nur von Fanseite unter Druck. Jetzt fordert Zweitligist Hannover 96 den Rücktritt der Bosse der Deutschen Fußball-Liga um Aufsichtsratschef Hans-Joachim Watzke und die noch taufrischen Geschäftsführer Steffen Merkel und Marc Lenz. Eine solche Volte hat es in dieser Form noch nie gegeben. Die Bundesliga ist bis ins Mark getroffen.

Der deutsche Profifußball befindet sich somit in der größten Krise seit dem Bundesligaskandal 1971, als reihenweise Spiele gegen Geldzahlungen verschoben wurden, der Kirch-Krise 2002, als der Zusammenbruch des Medienimperiums zu........

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