Stand: 22.03.2024, 16:22 Uhr

Von: Jan Sternberg

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Die Union scheitert mit ihrem Versuch, die Entkriminalisierung von Cannabis zu bremsen. Damit ist der Weg zu einem zeitgemäßen Umgang mit der Volksdroge gebahnt. Der Leitartikel

Drei Gesetze wollten die Unionsparteien am Freitag im Bundesrat stoppen und in den Vermittlungsausschuss überweisen: das Wachstumschancengesetz, das Vergleichsportal für Krankenhäuser und, besonders kontrovers diskutiert, die Entkriminalisierung von Cannabis.

Am Ende stand es drei zu null für die Ampelkoalition. Der Bundesrat hat als Blockadeinstanz nicht funktioniert, weil sich die Unions-Ministerpräsidenten (natürlich mit Ausnahme des Bayern Markus Söder) am Ende ihren Koalitionspartnern beugen mussten. So hat die Ampel auch eines ihrer meistdiskutierten Projekte durchbekommen. Der Bundesrat hat das Cannabisgesetz nicht blockiert, auch wenn der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) für ein paar Gramm Dope sogar seine Kenia-Koalition im beginnenden Landtagswahlkampf riskiert hat.

Die mit Sicherheit vorher abgesprochene uneinheitliche Stimmabgabe von Kretschmer und seinem Vize Wolfram Günther (Grüne) gab gesichtswahrend den Weg frei für die Entkriminalisierung ohne den Umweg über den Vermittlungsausschuss. Damit werde die „Büchse der Pandora“ geöffnet, warnte Kretschmer zuvor in seiner Rede, eine Büchse voller unkontrollierbarem und höchstwahrscheinlich immer noch vom Schwarzmarkt stammendem Weed. Diese Büchse aber sei längst geöffnet, konterte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach, und gerade Jugendliche hätten bereits jetzt auf fast jedem Schulhof Zugang zur Droge, ohne Kontrolle und Schutz.

Ihm gehe es darum, „die nächste Generation vor dem Schwarzmarkt zu schützen“, sagte Lauterbach. Das ist das Ziel eines sehr deutschen Weges zur Freigabe der dritten Volksdroge nach Alkohol und Nikotin: sehr bürokratisch, sehr mühsam und vermutlich erst mit großer Verzögerung wirksam.

Die Argumente der Gegnerinnen und Gegner beschränkten sich in den finalen Zügen der Debatte auf den Verwaltungsaufwand, den die Justizbehörden jetzt bei der Überprüfung und Amnestierung Zehntausender alter Verurteilungen wegen Cannabisdelikten haben. Ein Aufwand übrigens, der bei zeitiger Digitalisierung der Behörden längst nicht so groß gewesen wäre.

Bayern beklagt einen möglichen zusätzlichen Personalaufwand bei der Polizei, weil der Freistaat das Gesetz extrem restriktiv auslegen will. Langfristig aber werden Lauterbachs Versprechen vermutlich eintreffen: Polizei und Justiz müssen sich nicht mehr mit Bagatelldelikten beschäftigen, Konsumierende haben mehr Auswahl und Sicherheit – und der Schwarzmarkt bekommt zumindest einen Dämpfer. Dass es dauern wird, bis sich diese positiven Effekte zeigen, ist Fachleuten klar.

Ebenso klar ist, dass die Gegnerinnen und Gegner des Gesetzes von Tag eins an jede Steigerung im Konsum, jedes immer noch illegal vertickte Gramm und jeden Verstoß gegen die Anbauregeln skandalisieren und das Gesetz für gescheitert erklären werden. Der wahrscheinliche CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz hat bereits angekündigt, das Gesetz wieder abschaffen zu wollen. Mit welchem Koalitionspartner er das selbst nach einem Wahlsieg durchbekommen will, hat er nicht gesagt.

Die Ampel kann noch zusammenstehen, und wenn es nur darum geht, sich politisch einen Joint zu teilen. Der gestrige Tag war kein historischer, aber er war ein Anfang auf dem Weg zu einem zeitgemäßen, ideologiefreien Umgang mit einer Volksdroge. Und vielleicht sogar ein Weg zur Aufklärung über deren Gefahren.

„Legal, aber lost“ steht auf Lauterbachs neuen Aufklärungsplakaten, die vor den Gefahren des Kiffens warnen sollen. „Lost“ waren an diesem Freitag nur die Verhinderer der Union.

Bericht S. 46

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Cannabis: Die Blockade der CDU verglimmt

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22.03.2024

Stand: 22.03.2024, 16:22 Uhr

Von: Jan Sternberg

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Die Union scheitert mit ihrem Versuch, die Entkriminalisierung von Cannabis zu bremsen. Damit ist der Weg zu einem zeitgemäßen Umgang mit der Volksdroge gebahnt. Der Leitartikel

Drei Gesetze wollten die Unionsparteien am Freitag im Bundesrat stoppen und in den Vermittlungsausschuss überweisen: das Wachstumschancengesetz, das Vergleichsportal für Krankenhäuser und, besonders kontrovers diskutiert, die Entkriminalisierung von Cannabis.

Am Ende stand es drei zu null für die Ampelkoalition. Der Bundesrat hat als Blockadeinstanz nicht funktioniert, weil sich die Unions-Ministerpräsidenten (natürlich mit Ausnahme des Bayern Markus Söder) am Ende ihren Koalitionspartnern beugen mussten. So hat die Ampel auch eines ihrer meistdiskutierten Projekte durchbekommen. Der Bundesrat hat das Cannabisgesetz nicht blockiert, auch wenn der........

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