Stand: 27.03.2024, 14:52 Uhr

Von: Leo Fischer

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Wie wichtig ist an der Universität ein Fach wie Latein? Und wer soll das bezahlen? Oder sind das die falschen Fragen?

Gespart muss werden, überall. Das ist das niemals hinterfragte Mantra des Neoliberalismus. Meistens muss da besonders gespart werden, wo man eigentlich abschaffen will, sich aber nicht traut. Flugs werden da Prozesse optimiert, Kosten gesenkt und der Apparat verschlankt – wenn die ausgehungerten Systeme dann zusammenbrechen, hat man gleich die Ausrede, sie mangels Performance einzustellen.

Nein, gespart muss werden, inmitten explodierenden Wohlstands, inmitten von DAX-Höhenflügen und Rekordgewinnen. Zum Beispiel muss die Universität Frankfurt eine Professur für Latein oder Griechisch einsparen, weil 750 000 Euro fehlen.

750000 Euro, das ist ein Klacks, ein paar Westendwitwen könnten das locker aus der Bridge-Kasse bezahlen. Doch das Geld fehlt nun mal, obwohl man eine Stiftungsuni ist, obwohl man lauter Wirtschaftsleute im Präsidium sitzen hat und einen Studiensaal sogar nach einem NSDAP-Mitglied benennt, damit die nach ihm benannte Stiftung weiter zahlt.

Obwohl man sich also überall hin bückt und verrenkt und die schäbigsten Kompromisse eingeht, reicht das Geld trotzdem nicht, um das Mindeste zu leisten, was man von einer europäischen Universität erwarten könnte, nämlich Latein und Griechisch in angemessener Qualität zu unterrichten.

Demgegenüber können die an der gleichen Universität beheimateten Wirtschaftswissenschaften mit gleich 60 Professuren renommieren, darunter sogar solche für Parawissenschaften wie „Behavioral Finance“, „Asset Pricing“, „Real Estate Finance“, „Innovation und Entrepreneurship“ und „Marketing Strategy“ – und warum auch nicht, auch für solche Orchideenfächer muss an einer Uni Platz sein.

Man könnte sich allerdings fragen, warum diese 60 Finanzgelehrten es nicht schaffen, 750 000 Euro für die Kolleg:innen in der Altphilologie zusammenzuspekulieren. Die Frage setzte allerdings voraus, dass diese Professuren tatsächlich dem Gemeinwohl dienten und nicht der Reproduktion einer nur dem eigenen Vorteil und dem Shareholder Value verpflichteten Elite, die ihre Ausbildung zu Massenentlasser:innen noch aus dem Steuersäckel finanzieren, bevor sie die Rettung ihrer Pleitefirmen ebenfalls der Steuerzahler:in überantworten.

Angeblich argumentieren auch einige Studierende schon mit der Frage, was ein Griechisch-Studium denn für den Arbeitsmarkt bringe, und da kann man schon ein bisschen lachen, denn in den nächsten fünf Jahren werden ohnehin alle Berufsbilder derart von der K.I. zerpflückt, dass es wirklich gleichgültig ist, ob man Byzantinistik oder Entmietungsmanagement studiert hat – beim ersteren kann man sich wenigstens sagen, was fürs Herz gemacht zu haben.

Man könnte jetzt natürlich noch grantiger werden und es auch als eine Art Kulturkampf sehen, dass die Erinnerung an Gesellschaften, die noch nichts von der Notwendigkeit des Asset Pricing wussten, ebenso als Ballast markiert werden soll wie die Kritische Theorie, die in Frankfurt als museale Kuriosität geführt wird. Aber eine Woche Argumentation wäre natürlich nicht im Sinne der Sparsamkeit, der schließlich auch dieser Artikel hier verpflichtet ist.

Leo Fischer ist Autor, Stadtrat in Frankfurt (Ökolinx) und war Chefredakteur des Satiremagazins „Titanic“.

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Die Grenzen des Sparens

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27.03.2024

Stand: 27.03.2024, 14:52 Uhr

Von: Leo Fischer

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Wie wichtig ist an der Universität ein Fach wie Latein? Und wer soll das bezahlen? Oder sind das die falschen Fragen?

Gespart muss werden, überall. Das ist das niemals hinterfragte Mantra des Neoliberalismus. Meistens muss da besonders gespart werden, wo man eigentlich abschaffen will, sich aber nicht traut. Flugs werden da Prozesse optimiert, Kosten gesenkt und der Apparat verschlankt – wenn die ausgehungerten Systeme dann zusammenbrechen, hat man gleich die Ausrede, sie mangels Performance einzustellen.

Nein, gespart muss werden, inmitten explodierenden Wohlstands, inmitten von DAX-Höhenflügen und Rekordgewinnen. Zum Beispiel muss die Universität Frankfurt eine Professur für Latein oder Griechisch einsparen, weil 750 000 Euro........

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