Stand: 08.03.2024, 16:52 Uhr

Von: Manfred Niekisch

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Wolf, Fischotter und Kormoran müssen ehrlich beurteilt werden, nicht mit Feindbildern. Gilt das auch zwischen Menschen?

Feindbilder sind eine feine Sache. Oder zumindest eine sehr praktische. Denn wer ein Feindbild hat, braucht sich über die Wahrheit um den (vermeintlichen) Feind keine großen Gedanken mehr zu machen. Alles, was für ihn oder sie spräche, kann man einfach ausblenden. Eine Beschränkung der Ansichten auf die negativen, schädlichen, bösen Aspekte reicht, um die Einschätzung zu begründen. Und gegebenenfalls auch die Gegenwehr, die Abwendung vermeintlicher Gefahren.

Blöd ist es halt, wenn man selber das Feindbild ist. Wir Menschen können dann Gegenargumente bringen, uns verteidigen, das Bild zurechtrücken, wenn wir als Missverstandene betroffen sind. Ob es nützt, ist eine andere Frage. Tiere aber können das nicht, wenn sie vom Menschen zu Feinden hochstilisiert werden. Und das passiert gerade einmal wieder in Reinkultur.

Da zählt zuvorderst der Slogan des Hessischen Ministerpräsidenten und Christdemokraten Boris Rhein, mit dem er schon im Herbst seinen inzwischen gewonnenen Wahlkampf befeuert hat. „Jetzt bejagen statt später bereuen“, fordert er. Und prompt soll der streng geschützte Wolf nun ins hessische Jagdrecht übernommen werden. Sachargumente gegen den Wolf? Schwach, Emotion und Panikmache jedenfalls pur.

Auf derselben Welle schwimmt der bayerische Ministerpräsident und Christsoziale Markus Söder beim Thema Abschuss des Fischotters. Als ob das Wohl und Wehe der Teichwirtschaft von diesem Tier abhinge. Statt einmal zu realisieren, welch positive Rolle der Fischotter in seinem Lebensraum spielt, und es bestimmt nicht seine Schuld ist, dass es so schlecht um unsere Fischfauna und Gewässer steht. Nicht aus Tierliebe, sondern mit knallharten juristischen Argumenten stoppte das Oberste Bayerische Verwaltungsgericht diese absurde Schießidee.

Mancher Jäger und manche Jägerin verlässt in dieser Stimmung gegen vermeintliche tierische Übeltäter die Deckung vollends. Sozusagen im Windschatten der menschlichen Feindbilder von Wolf und Fischotter. Da schreibt einer von Krähen, die so manchen Junghasen lebendig zerhacken. Was für eine üble Polemik. Weg also mit den schwarzen Vögeln, die man früher auf den Schultern von Hexen zu sehen glaubte.

Auch andere schwarze Vögel, die Kormorane, die, so leserbrieflich behauptet, die Nebenflüsse leer fischen, sind immer noch im Visier. Die Stimmungsmache gegen solche Feinde, die keine sind, basiert teils auf uralten Ängsten, teils auf der Behauptung von falschen Kausalzusammenhängen. Auf Feindbildern, die Wesentliches einfach ausblenden.

Selbst ein Käferchen entkommt dem Desinformationswirrwarr nicht. Der böse Borkenkäfer, nein, er ist nicht schuld am Absterben unserer Wälder. Der Mensch mit seinem Klimawandel und einem primär auf Holzertrag ausgerichteten Waldbau hat ihm den Tisch gedeckt.

Die Forstwissenschaft hat das erkannt und sinnvolle Gegenstrategien entwickelt, mit naturnahem Waldumbau. Ehrliche Analysen statt plumper Feindbilder eröffnen den Blick auf zukunftsfähige Lösungen. Könnte es sein, dass zwischen menschlichen Konfliktparteien Ähnliches gilt?

Manfred Niekisch ist Biologe und ehemaliger Zoodirektor.

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Abschüsse sind keine Lösung

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08.03.2024

Stand: 08.03.2024, 16:52 Uhr

Von: Manfred Niekisch

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Wolf, Fischotter und Kormoran müssen ehrlich beurteilt werden, nicht mit Feindbildern. Gilt das auch zwischen Menschen?

Feindbilder sind eine feine Sache. Oder zumindest eine sehr praktische. Denn wer ein Feindbild hat, braucht sich über die Wahrheit um den (vermeintlichen) Feind keine großen Gedanken mehr zu machen. Alles, was für ihn oder sie spräche, kann man einfach ausblenden. Eine Beschränkung der Ansichten auf die negativen, schädlichen, bösen Aspekte reicht, um die Einschätzung zu begründen. Und gegebenenfalls auch die Gegenwehr, die Abwendung vermeintlicher Gefahren.

Blöd ist es halt, wenn man selber das Feindbild ist. Wir Menschen können dann Gegenargumente bringen, uns verteidigen, das........

© Frankfurter Rundschau


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