Stand: 29.12.2023, 14:49 Uhr

Von: Manfred Niekisch

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Man kann sie juristisch definieren oder im Baumarkt kaufen. Die zum Jahresende gefassten selbst gesteckten Ziele halten oft nicht lange.

Die Baumärkte können ein Lied davon singen, gerade jetzt in der Zeit des Umtausches und der Einlösung von Gutscheinen. Da fragen so viele nach guten Vorsätzen. Zum Beispiel für die neue Bohrmaschine. Ein besonders schöner ist da der Blechknabber-Vorsatz, der tatsächlich, auf Heimwerkler wartend, so im Regal steht, gleich neben dem Winkelbohr-Vorsatz, der unersetzliche Dienste leistet, wenn man ihn denn braucht. Aber wer will schon an Blechen knabbern, wenn der Vorsatz doch ist, dieses Jahr nach Weihnachten, im neuen Jahr die Knabberei zu reduzieren?

An Produktauswahl sicher mindestens ebenso reichlich wie für Bohrmaschinen sind die Vorsätze für Sägen. Man denke nur an den Dekupiersäge-Vorsatz, zu dem auch noch ein ganzer Stichsägetisch passend ist.

Dann gibt es da noch die unendliche Fülle guter Vorsätze für Küchengeräte, die natürlich jetzt, da man sie nachträglich zur geschenkten Haushaltsmaschine anschaffen will, ungleich teurer sind, als wenn man sich das vollständige Gerät mit Rührwerk und allem Zubehör im Set gekauft hätte. Oder sich hätte schenken lassen.

Während der Raffelvorsatz durchaus gedankenanregend wirkt, da sich seine Bedeutung nicht gleich aufdrängt, erschließt sich die Bestimmung eines Nussmühlenvorsatzes wohl jedermann und jederfrau unmittelbar. Irgendwo dazwischen liegt, was den Interpretationsbedarf angeht, der Flockenvorsatz.

Doch bei all den guten Vorsätzen grätschen uns die Absolventinnen und Absolventen juristischer Fakultäten dazwischen mit ihren wohlformulierten, jedenfalls klugen Definitionen. Von der sonst eher üblichen Ausgewogenheit ist in diesem Fall aber nichts zu spüren.

Dem Vorsatz gestehen sie keinerlei positive Konnotation zu. Vorsatz ist für sie immer böse, immer kriminell. Aber es klingt schön geschliffen, wenn man nachliest, dass der Vorsatz im Strafrecht den Willen zur Tatbestandsverwirklichung in Kenntnis aller objektiven Tatumstände einschließlich der Kausalitätsbeziehungen bezeichnet.

Und dann werden spitzfindig (oder besser wissenschaftlich?) sogar drei Vorsatzformen unterschieden, nämlich die Absicht, der direkte Vorsatz und der Eventualvorsatz. Letzterer offenbart sich dem nicht speziell gebildeten, durchschnittlichen Menschen als der in diesen Tagen wohl am häufigsten gefasste und keineswegs strafbewehrte (liebe Juristinnen und Juristen, da bitte nicht mit den Zähnen knirschen!).

Man könnte ja, fester Vorsatz für das neue Jahr 2024, eventuell mal eine Diät machen, etwas spenden für einen wohltätigen Zweck, sich bei „Wer wird Millionär“ bewerben, das Rauchen aufgeben, mehr Sport treiben, weniger essen, umweltfreundlicher leben, sich öfter mal vegan ernähren (dann könnte man sich sogar den Fleischwolfvorsatz sparen, siehe oben).

Ach, all diese eventuellen, guten Vorsätze. Ehrlich gemeint mögen sie ja sein. Erfahrungsgemäß halten sie aber nicht lange. Jedenfalls sind sie meist kurzlebiger als die guten Vorsätze, die man ins Bohrfutter oder das Küchengerät steckt.

Manfred Niekisch ist Biologe und ehemaliger Zoodirektor.

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Die Sache mit den Vorsätzen

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29.12.2023

Stand: 29.12.2023, 14:49 Uhr

Von: Manfred Niekisch

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Man kann sie juristisch definieren oder im Baumarkt kaufen. Die zum Jahresende gefassten selbst gesteckten Ziele halten oft nicht lange.

Die Baumärkte können ein Lied davon singen, gerade jetzt in der Zeit des Umtausches und der Einlösung von Gutscheinen. Da fragen so viele nach guten Vorsätzen. Zum Beispiel für die neue Bohrmaschine. Ein besonders schöner ist da der Blechknabber-Vorsatz, der tatsächlich, auf Heimwerkler wartend, so im Regal steht, gleich neben dem Winkelbohr-Vorsatz, der unersetzliche Dienste leistet, wenn man ihn denn braucht. Aber wer will schon an Blechen knabbern, wenn der Vorsatz doch ist, dieses Jahr nach Weihnachten, im neuen Jahr die Knabberei zu reduzieren?

An........

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