Stand: 19.04.2024, 13:45 Uhr

Von: Manfred Niekisch

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Künstlich Regen zu machen, ist eine Sache. Die Folgen der Sturzfluten in den Griff zu bekommen, ist ungleich schwieriger. Die Kolumne

Wüstenschiffe werden die Kamele oft genannt. Weil sie im extrem trockenen Sandmeer so souverän zurechtkommen wie ein Schiff auf See. Doch jetzt müssten sie fast richtig schwimmen lernen, bei den verheerenden Regenmassen, welche gerade die arabischen Emirate und vor allem Dubai, das Traumziel des sonnenhungrigen Luxus-Tourismus (oder was man dafür hält) überschwemmen.

Es sind bislang nie gesehene Bilder von diesen Tieren, die bis zum Bauch im Wasser stehen. Da ist es von Vorteil, dass – eigentlich als Anpassung an die Sandstürme – der Kopf, die Nüstern und Augen immer noch hoch über den Wasserspiegel hinausragen.

Mindestens so drängend wie die Frage, was sich die Sohlengänger denken, dass sie auf einmal im sonst so raren Nass stehen, ist die Frage, woher solche Unwetter kommen. Da kommt wieder einmal, aber selten genug, eine Erklärung ins Spiel, über die erstaunlich wenig gesprochen wird. Es ist das sogenannte Cloud seeding, die Wolkenimpfung.

Mit Flugzeugen werden Silberjodid oder ähnliche Substanzen in die Wolken geblasen, als Kondensationspunkte. Die Wassertropfen werden schwerer und regnen ab.

Russland und China sind Länder, die dafür bekannt sind, diese seit Jahrzehnten bekannte und eingesetzte Methode zu nutzen. Damit soll großen Militärparaden, der Eröffnung der Olympischen Spiele in Peking und anderen Massenereignissen dann ein sicher regenfreier Tag, schönes Wetter halt, bereitet werden. Auch in Europa wird das Verfahren gelegentlich angewendet, selbst in Deutschland. Zum Beispiel zur Abwehr von Hagel in Weinbaugebieten.

Dabei wird wieder einmal die Meteorologie kräftig in den Hintern getreten. Es wird an etwas herumgepfuscht und manipuliert, ohne die weiteren Folgeeffekte zu bedenken, ja sie sind noch nicht einmal hinreichend bekannt.

Zwar sind die eingesetzten Mengen von Silberjodid minimal und deswegen vielleicht tatsächlich unproblematisch für Mensch und Umwelt, aber nix Genaues weiß man nicht. Und es ist noch nicht einmal klar, ob und wie zuverlässig sich damit am Regenfall herumspielen lässt.

Jedenfalls behauptet Dubai, diesmal die Wolken nicht geimpft zu haben. Damit wandert der Blick weg von Spekulationen hin zu handfesteren Begründungen. Leider sind das solche, die man nicht einfach schnell mal lassen oder beseitigen kann.

Ernsthafte Stimmen führen das nasse Katastrophenwetter auf den Klimawandel zurück. Und seine Auswirkungen sind auch verfehlten Stadtplanungen geschuldet. Versiegelte Oberflächen, Rekorde nach oben, in die Höhe, aber kein Grün in den Flächen, die Regen aufnehmen und abführen könnten. Ganz ohne Panik muss jetzt darüber nachgedacht werden, auf welch ungewöhnliche Wetterphänomene wir uns künftig einstellen müssen angesichts all der überraschenden, neuartigen Auswirkungen des Klimawandels.

Die Gestaltung der Städte und ihrer ober- und unterirdischen Strukturen, Wassermanagement, Grünplanung, kreativ und weitsichtig, werden nötig sein, um die Spitzen der Wetterkapriolen zu brechen. Denn der Klimawandel schreitet fort, da gibt es leider nicht viel Hoffnung auf schnelle Änderung. Sonst steht nicht nur den Kamelen irgendwann das Wasser bis zum Hals.

Manfred Niekisch ist Biologe und ehemaliger Zoodirektor.

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Kamele im Wasser

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19.04.2024

Stand: 19.04.2024, 13:45 Uhr

Von: Manfred Niekisch

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Künstlich Regen zu machen, ist eine Sache. Die Folgen der Sturzfluten in den Griff zu bekommen, ist ungleich schwieriger. Die Kolumne

Wüstenschiffe werden die Kamele oft genannt. Weil sie im extrem trockenen Sandmeer so souverän zurechtkommen wie ein Schiff auf See. Doch jetzt müssten sie fast richtig schwimmen lernen, bei den verheerenden Regenmassen, welche gerade die arabischen Emirate und vor allem Dubai, das Traumziel des sonnenhungrigen Luxus-Tourismus (oder was man dafür hält) überschwemmen.

Es sind bislang nie gesehene Bilder von diesen Tieren, die bis zum Bauch im Wasser stehen. Da ist es von Vorteil, dass – eigentlich als Anpassung an die Sandstürme – der Kopf, die Nüstern und Augen immer noch hoch über den........

© Frankfurter Rundschau


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