Stand: 19.04.2024, 16:57 Uhr

Von: Maria Sterkl

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Israels vermeintlich laue Antwort auf den Drohnen-Schwarm aus dem Iran kann als geschickter diplomatischer Ausweg aus einer scheinbar verfahrenen Lage gesehen werden. Eine Analyse.

Teheran – Stell dir vor, es gibt einen israelischen Angriff im Iran, aber weder Jerusalem noch Teheran verlieren darüber ein Wort: Die Explosionen, die in den frühen Morgenstunden über einer Streitkräftebasis im iranischen Isfahan zu hören waren, sind laut den unmittelbar Beteiligten alles, nur kein Anlass zur Eskalation des bestehenden Konfliktes. „Drei Drohnen wurden am Himmel über Isfahan entdeckt, die Luftabwehr wurde aktiviert und sie hat die Drohnen vernichtet“, berichtete das iranische Staatsfernsehen lapidar.

Und weiter nichts: Keine Schäden, keine Aufregung, schon gar keine Vergeltung gegen Israel – denn schließlich, so erklärten iranische Vertreter, sei ja noch gar nicht geklärt, ob das Ausland hinter dem Angriff stecke, geschweige denn Israel. Zum Zeitpunkt dieser Äußerung hatten zwar mehrere israelische hochrangige Vertreter unabhängig voneinander längst gegenüber der New York Times und der Washington Post zugegeben, dass der Angriff auf Israels Kappe geht. In Teheran tut man trotzdem weiter so, als wüsste man davon nichts und vor allem von niemandem.

Auch in Israel herrscht Schweigen auf allen offiziellen Kanälen. Weder die Armee noch die Regierung gaben zu den Angriffen im Iran, die von Schlägen im Irak und in Syrien begleitet waren, irgendwelche Kommentare ab. Die einzige Stellungnahme, die indirekt mit der Causa prima des Tages zu tun hatte, sprach wiederum Bände: Nein, es gebe keine Änderung bei den Vorkehrungen des Zivilschutzes, versicherte die Armee. Die Botschaft zwischen den Zeilen der Militärs lautet: Kein Grund zur Sorge, niemand rechnet jetzt mit einem Gegenschlag aus dem Iran.

Nach dem historischen iranischen Angriff auf Israel in der Nacht zum vergangenen Sonntag war es nur eine Frage der Zeit gewesen, bis Israel zum Gegenschlag ausholen würde. Soll das also schon die israelische Antwort gewesen sein – drei Quadrokopter über einem Luftwaffenstützpunkt in Isfahan?

Dass Israel es aber mit dem vergleichsweise leichten Schlag von Freitagfrüh bewenden lässt, ist eher unwahrscheinlich. Der Iran hatte Israel vor einer Woche mit mehr als 300 Raketen, Marschflugkörpern und Drohnen angegriffen. Hätte Israel nicht die breite Unterstützung mehrerer Verbündeter bei der Abwehr dieser Angriffe erhalten, wäre der Schaden verheerend gewesen. Geht man von „Gleiches mit Gleichem vergelten“ aus, so müsste sich der Iran auf weitere Schläge einstellen. Israel hat es dabei aber nicht eilig. Die gemäßigte Reaktion am Freitag war wohl auch ein Signal an den Westen: Seht her, wir können uns auch maßvoll verhalten, um den Schaden einer drohenden Eskalation auch von euch abzuhalten.

Im Gegenzug erhofft sich Israel von Europa und den USA, dass diese eine deutliche Verschärfung der Sanktionen gegen den Iran beschließen – in einem Ausmaß, das noch weit über die Ankündigungen der vergangenen Tage hinausgeht.

Von solchen Sanktionen würde Israel mittelfristig viel stärker profitieren als von einem mächtigen Schlag gegen iranische Infrastruktur. Israel hat dabei aber noch ein anderes Ziel: Nach mehr als einem halben Jahr Krieg im Gazastreifen und der zunehmenden Kritik am israelischen Vorgehen hat der iranische Angriff die Stimmung wieder leicht zugunsten Israels gedreht. Diesen momentanen Rückhalt will man sich durch einen allzu harten Schlag im Iran nicht verderben – auch im Hinblick auf die geplante Invasion in Rafah im Süden Gazas.

Ort und Zeitpunkt des Angriffs am Freitag waren jedenfalls von hoher Symbolkraft. Die Provinz Isfahan steht in Israel stellvertretend für das iranische Atomprogramm, das wichtigste Uran-Anreicherungszentrum der Islamischen Republik befindet sich dort. In der Stadt Isfahan selbst sind ein nukleares Forschungszentrum und eine Anlage für Uranentwicklung angesiedelt. Sehr bald nach dem Angriff war klar, dass an der nuklearen Infrastruktur kein Schaden entstanden ist; das war ganz offenkundig auch nicht beabsichtigt. Vielmehr ging es um ein Warnsignal: Israel ist zu allem fähig – und notfalls auch zu allem bereit.

Isfahan ist aber auch im Kontext der schweren iranischen Angriffe vom vergangenen Sonntag wichtig: Zentrale Produktionsstätten für ballistische Raketen und Drohnen sind laut israelischen Geheimdienstinformationen dort angesiedelt. Auch das Datum des Angriffs war geschickt gewählt: Der Freitag war der Geburtstag des obersten iranischen Führers, Ayatollah Ali Khamenei.

In Israel geht man davon aus, dass der Iran auch weiterhin kein Interesse an einer zusätzlichen Eskalation der Lage hat. Auch aus israelischer Sicht gilt es, eine längere Auseinandersetzung mit dem Iran tunlichst zu vermeiden. „Unser Hauptanliegen jetzt ist es, die Geiseln aus Gaza zurückzubekommen und die Hamas zu schlagen“, sagt der frühere Militärgeheimdienstchef Amos Jadlin. „Ein Krieg zwischen Israel und dem Iran, das ist der feuchte Traum von Sinwar“, dem Hamas-Führer in Gaza, sagt Jadlin. Nichts liege Israel ferner, als dem Terrorchef diesen Traum zu erfüllen.

Unabhängig davon, ob eine weitere Eskalation nun zu erwarten ist oder nicht: Die Märkte reagierten Freitagmorgen prompt. Der Ölpreis sprang an, die Ratingagentur S&P stufte Israels Kredit-Rating von AA- auf A herab. Begründung: Angesichts der aktuellen Geschehnisse rechne man damit, dass Israel bald viel mehr Geld für Rüstung ausgeben muss.

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Israels kleiner Gegenschlag und Irans entspannte Reaktion

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19.04.2024

Stand: 19.04.2024, 16:57 Uhr

Von: Maria Sterkl

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Israels vermeintlich laue Antwort auf den Drohnen-Schwarm aus dem Iran kann als geschickter diplomatischer Ausweg aus einer scheinbar verfahrenen Lage gesehen werden. Eine Analyse.

Teheran – Stell dir vor, es gibt einen israelischen Angriff im Iran, aber weder Jerusalem noch Teheran verlieren darüber ein Wort: Die Explosionen, die in den frühen Morgenstunden über einer Streitkräftebasis im iranischen Isfahan zu hören waren, sind laut den unmittelbar Beteiligten alles, nur kein Anlass zur Eskalation des bestehenden Konfliktes. „Drei Drohnen wurden am Himmel über Isfahan entdeckt, die Luftabwehr wurde aktiviert und sie hat die Drohnen vernichtet“, berichtete das iranische Staatsfernsehen lapidar.

Und weiter nichts: Keine Schäden, keine Aufregung, schon gar keine Vergeltung gegen Israel – denn schließlich, so erklärten iranische Vertreter, sei ja noch gar nicht geklärt, ob das Ausland hinter dem Angriff stecke, geschweige denn Israel. Zum Zeitpunkt dieser Äußerung hatten zwar mehrere israelische hochrangige Vertreter unabhängig voneinander längst gegenüber der New York Times und der Washington Post zugegeben, dass der Angriff auf Israels Kappe geht. In Teheran tut man trotzdem weiter so, als wüsste man davon nichts und vor allem von........

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