Stand: 04.01.2024, 15:37 Uhr

Von: Petra Kohse

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Im Zweifelsfall alles beim Alten zu belassen, ist nie eine Lösung. Wer also etwas ändern will, muss etwas wagen.

Zum neuen Jahr würde ich meinem Pferd gerne einen neuen Namen schenken. Wir kennen uns jetzt 15 Monate, sind gemeinsam durch gesundheitliche Tiefen gegangen, aber auch schon freudig in manche Höhen geklettert, und als Zeichen der Erneuerung, der Besserung, womöglich des Guten, würde ich ihm gerne einen großen, lauten, offenen Namen geben (sein jetziger ist phonetisch eher klein und eng). Aber: Darf man das?

Als wir vom Tierschutz unseren Kater bekamen, habe ich die Namensvorschläge meiner Töchter mit dem Hinweis unterbunden, dass das Tier ja bereits hieße. Die Menschen, die ihn auf der Straße aufsammelten und pflegten, haben ihn benannt, das wollte ich würdigend als gegeben hinnehmen. Auch das Pferd hatte vor mir einen Menschen, der ihn ausgebildet, geliebt und mit ihm gelebt – der ihn benannt hat. Ist es okay, sich über die Geschichte hinwegzusetzen?

Wobei Tiernamen, die von Menschen gegeben werden, ja ohnehin eine zweifelhafte Sache sind. In „Old Possums Katzenbuch“ von T.S. Eliot, der Textvorlage zum Musical „Cats“, wird besungen, dass Katzen stets drei verschiedene Namen hätten: einen ersten alltäglichen, einen zweiten, der ihre kätzische Besonderheit ausdrücke – und einen ganz geheimen dritten, den nur die Katze selbst kenne.

So gesehen hätte man ja freie Hand. Andererseits belegen japanische Studien aus dem Jahr 2019, dass Katzen durchaus auf den Namen reagieren, den ihnen ihre Menschen gegeben haben, selbst wenn er (also der Name) von fremden Personen gerufen wird.

Ich weiß nicht, ob ich das bestätigen kann. Unser Kater reagiert im Wesentlichen auf das Rascheln von „Premium Knusperkissen“ in einer beschichteten Tüte, aber die Wissenschaft hatte vermutlich die insgesamt über 600 Millionen Katzen im Blick, die derzeit bei Menschen leben, vielleicht ist er die Minderheit.

Auch Hunde hören auf die von Menschen gegebenen Namen. Das ist selbstverständlich bei, ja nachgerade die Idee von Tieren, die „Platz“ machen und Pfötchengeben, es ist ihre gezüchtete Natur, sich anzuschließen und aufmerksam zu sein.

Delfine indessen gehen in Namensdingen zwei bedeutende Schritte weiter. Sie identifizieren sich mit spezifischen Lautsignaturen, die sie anderen mitteilen und mit denen sie dann in Delfinkreisen auch adressiert werden!

Elefanten wiederum, die in Grolltönen kommunizieren, verlautbaren ihre Namen nicht selbst, sozusagen als Kopiervorlage, sondern sie erhalten ihre Namen von anderen. Dieses Verhalten galt lange als ausschließlich menschlich, und die entsprechende Studie der Colorado State University vom August 2023 befindet sich noch in der wissenschaftlichen Prüfung. Wird ein positives Ergebnis die Wilderer daran hindern, weltweit jährlich bis zu 20 000 Elefantenpersönlichkeiten wegen des Elfenbeins zu töten?

Zurück zu meinem Pferd. Da es kein Zuchttier ist, ist seine Namensgebung nicht an Vorgaben gebunden. Reagiert er, wenn ich ihn rufe, auf seinen Namen oder auf meine Stimme (meine Ssswingungen, um mit dem Gestiefelten Kater von Dreamworks zu sprechen)?

Nennen ihn die Mitglieder seiner Herde irgendwie? Wäre es okay, womöglich wünschenswert für ihn, einen anderen Namen zu erhalten, ganz im identitätspolitischen Sinne des Xyz formerly known as Abc? Oder ist es Eitelkeit, hier Autorin sein zu wollen? Gewiss ist: Im Zweifelsfall alles beim Alten zu belassen, ist nie eine Lösung. Ich werde es also wagen.

Petra Kohse ist Kulturredakteurin, Buchautorin und Heilpraktikerin für Psychotherapie.

QOSHE - Das Problem mit Namen - Petra Kohse
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Das Problem mit Namen

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04.01.2024

Stand: 04.01.2024, 15:37 Uhr

Von: Petra Kohse

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Im Zweifelsfall alles beim Alten zu belassen, ist nie eine Lösung. Wer also etwas ändern will, muss etwas wagen.

Zum neuen Jahr würde ich meinem Pferd gerne einen neuen Namen schenken. Wir kennen uns jetzt 15 Monate, sind gemeinsam durch gesundheitliche Tiefen gegangen, aber auch schon freudig in manche Höhen geklettert, und als Zeichen der Erneuerung, der Besserung, womöglich des Guten, würde ich ihm gerne einen großen, lauten, offenen Namen geben (sein jetziger ist phonetisch eher klein und eng). Aber: Darf man das?

Als wir vom Tierschutz unseren Kater bekamen, habe ich die Namensvorschläge meiner Töchter mit dem Hinweis unterbunden, dass das Tier ja bereits hieße. Die Menschen, die ihn auf der Straße aufsammelten und pflegten, haben ihn benannt, das wollte ich würdigend als gegeben hinnehmen. Auch........

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