Stand: 24.04.2024, 10:12 Uhr

Von: Pitt von Bebenburg

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Rishi Sunak steht wegen seines Ruanda-Deals in der Kritik. Er ist nicht nur kostspielig, sondern verstößt auch gegen grundlegende Menschenrechte und darf nicht zum Vorbild für Deutschland werden.

Niemand hat den eklatanten Rechtsbruch, den der britische Regierungschef Rishi Sunak mit seinem Ruanda-Deal begehen will, besser auf den Punkt gebracht als der Liberaldemokrat Lord Alexander Charles Carlile. „Rishi Sunak bittet das Parlament zu beschließen, dass eine Unwahrheit wahr ist“, sagte das britische Oberhausmitglied.

Genau so ist es. Demonstrativ setzt der konservative Regierungschef gegen alle Mahnungen durch, was er für Volkes Wille hält, vor allem aber für die Rettung seiner politischen Zukunft: die Abwehr von flüchtenden Menschen um jeden Preis. Dafür bricht Sunak mit der großen Tradition der Weltoffenheit im Vereinigten Königreich und lässt Menschenrechtsorganisationen und Jurist:innen fassungslos zurück. Der Trick: Ruanda wird einfach zum sicheren Drittstaat erklärt, das es nicht ist.

Wenn die Flüge nicht von den Gerichten verhindert werden, gibt es künftig kein Asylrecht, wie wir es kennen, in Großbritannien. Dass Ruanda nicht nur nach der Einschätzung von Menschenrechtsorganisationen, sondern auch des obersten Gerichtshofs in London kein sicherer Drittstaat ist, dass dort keine fairen Asylverfahren sichergestellt sind, dass Todesfälle in Haft sowie Folter angeprangert werden – Sunak will auf all das keine Rücksicht nehmen. Schon wird über Pläne seiner Regierung berichtet, ähnliche Abkommen mit weiteren Staaten in Afrika, Mittelamerika und Europa zu schließen. Das Motto lautet: Hauptsache weit weg.

Großbritannien ist wahrlich kein Einzelfall. Weltweit steigt die Zahl der flüchtenden Menschen immer mehr – und vielen Ländern fallen als Antworten nur Abschottung und Abschreckung ein. Beides geht immer auf Kosten der geflüchteten Menschen.

Das gilt auch für das jüngst im Europäischen Parlament beschlossene gemeinsame europäische Asylsystem, das Schnellverfahren an den Grenzen vorsieht – für Menschen, die in der EU angekommen sind, aber per juristischem Winkelzug für nicht eingereist erklärt werden.

Italien geht noch weiter, es hat ein Abkommen zur Unterbringung der Schutzsuchenden in Albanien geschlossen. Und Deutschland? Die CDU, die nach der nächsten Bundestagswahl wieder an die Regierung kommen könnte, eifert dem britischen Ruanda-Modell nach. In ihrem neuen Grundsatzprogramm soll dieser Satz stehen: „Jeder, der in Europa Asyl beantragt, soll in einen sicheren Drittstaat überführt werden und dort ein Verfahren durchlaufen“.

Raus mit den Schutzsuchenden? Das wäre in Deutschland erst recht ein Dammbruch. Schließlich wurde hier nicht ohne Grund nach Ende des Naziregimes das Asylrecht an prominenter Stelle ins Grundgesetz geschrieben. Die politisch und rassistisch Verfolgten aus Deutschland wussten sehr genau, dass Asyl Leben retten kann.

Umso sorgfältiger wird die deutsche Öffentlichkeit hinschauen, was aus Londons Ruanda-Plan wird. Bisher ist völlig ungeklärt, ob das System jemals in Gang kommt. Betroffene können klagen – und ihre Chancen dürften gut stehen, dass sie nie nach Ruanda müssen.

Sunak weiß das natürlich. Er zieht sein Vorhaben trotzdem durch und behauptet, spätestens im Juli würden die ersten Charterflieger mit Migrantinnen und Migranten abfliegen. Wohl in der Hoffnung, mit einer solchen radikalen Antiflüchtlingspolitik aus dem Umfragetief zu kommen. Spätestens im Januar wird in Großbritannien gewählt. Das Ruanda-Modell soll ein Rettungsring für Sunak sein, nicht für Flüchtlinge.

Seine konservative Regierung gibt vor, dass ihr Kurs der Härte Flüchtlinge davon abhalten würde, die Fahrt über den Ärmelkanal anzutreten. Doch wer die Lebensgefahr einer solchen Überfahrt nicht scheut, dürfte sich auch nicht von britischen Drohungen abschrecken lassen. Zudem wäre der Deal ein Förderprogramm für kriminelle Banden, die das Leid geflüchteter Menschen ausnutzen. Ohne ihre Hilfe wird niemand nach Großbritannien kommen und dort sein Leben fristen können, prekäre Arbeit inbegriffen.

Lautstark wird international Entsetzen geäußert – von nichtstaatlichen Hilfsorganisationen wie von namhaften Vertretern der Vereinten Nationen und des Europarats. Die flehentlichen Appelle scheinen bei den britischen Konservativen eine Trotzreaktion hervorzurufen wie einst beim Brexit. Auch diesmal geht es nicht um Vernunft, sondern um die Aura einer vermeintlichen Unabhängigkeit.

Die britische Opposition ist keine große Hilfe. Sie moniert vor allem, dass Sunaks Plan viel Geld kostet und nicht funktionieren wird – die menschenrechtlichen Fragen spielen auch für Oppositionsführer Keir Starmer keine entscheidende Rolle.

Dabei ist der britische Ruanda-Deal teuer, menschenrechtswidrig und unwirksam. Es wäre zu hoffen, dass die bevorstehende Erfahrung, wenn schon nicht die britischen, so wenigstens die deutschen Konservativen zur Vernunft bringt. (Pitt von Bebenburg)

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Britischer Irrweg: Sunaks Ruanda-Deal taugt nicht zum Vorbild

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24.04.2024

Stand: 24.04.2024, 10:12 Uhr

Von: Pitt von Bebenburg

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Rishi Sunak steht wegen seines Ruanda-Deals in der Kritik. Er ist nicht nur kostspielig, sondern verstößt auch gegen grundlegende Menschenrechte und darf nicht zum Vorbild für Deutschland werden.

Niemand hat den eklatanten Rechtsbruch, den der britische Regierungschef Rishi Sunak mit seinem Ruanda-Deal begehen will, besser auf den Punkt gebracht als der Liberaldemokrat Lord Alexander Charles Carlile. „Rishi Sunak bittet das Parlament zu beschließen, dass eine Unwahrheit wahr ist“, sagte das britische Oberhausmitglied.

Genau so ist es. Demonstrativ setzt der konservative Regierungschef gegen alle Mahnungen durch, was er für Volkes Wille hält, vor allem aber für die Rettung seiner politischen Zukunft: die Abwehr von flüchtenden Menschen um jeden Preis. Dafür bricht Sunak mit der großen Tradition der Weltoffenheit im Vereinigten Königreich und lässt Menschenrechtsorganisationen und Jurist:innen fassungslos zurück. Der Trick: Ruanda wird einfach zum sicheren Drittstaat erklärt, das es nicht ist.

Wenn die Flüge nicht von den Gerichten verhindert werden, gibt es künftig kein Asylrecht, wie wir es kennen, in........

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