Stand: 11.01.2024, 14:22 Uhr

Von: Richard Meng

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Bei der deutschen Bewerbung um olympische Spiele muss es um mehr gehen als den Event. Gebraucht wird eine kulturelle Idee für Bewegung.

Die Handballer haben auch bei der EM hierzulande volle Stadien. Aber es gibt Sportthemen, bei denen bleiben die gespaltenen Reaktionen vorherzusehen – etwa bei Olympischen Spielen. Da ist viel Skepsis.

Dass der organisierte Sport sich zu Beginn des Jahres, das eine deutsche Handball- und Fußball-EM sowie Olympia in Paris mit sich bringt, dennoch auf den Weg in Richtung Olympiabewerbung traut, muss man also gewagt nennen. Was hinter so einem Symbolthema indes schnell verschwindet, sind die eigentlichen Fragen des Sports. Nach der Bewegungslust im Alltag, nach Glaubwürdigkeit und Vorbildwirkung von Spitzensport generell.

Sportvereine werden nach Corona wieder nachgefragt. Es wird aber schwieriger, Übungsleiterinnen und Übungsleiter zu finden. Das ist auch, aber nicht nur eine Frage der Entschädigung. Das ständige, kulturprägend gewordene Thema schlägt durch: Was hab ich selbst davon? Inzwischen gibt es sogar große Sportvereine, in denen alleine deshalb alles gemieden wird, was auch nur in die Nähe von Spitzensport käme.

Bloß kein Zurückstellen kurzfristiger Lebensinteressen zugunsten vager Erfolgshoffnungen. Kein Einstieg in ein System, das den absoluten Ergebnisvergleich zum Maßstab für alles macht. Aber deshalb lieber gar kein Leistungsvergleich mehr? Es geht da ums Gesellschaftsbild. Um Aufstiegserwartungen, die fraglich wurden. Um Motivation zur Anstrengung im Nicht-gar-so-Selbstbestimmten. Aber auch darum, ob es wirklich fortschrittlich ist, Arbeit und Leben ständig nur als Gegenpole zu sehen.

Hier bleibt der Sport ein Spiegelbild der Gesellschaft. Das ist an sich nichts Schlechtes. Dröhnende Olympia-Reklamekampagnen funktionieren nicht mehr. Internationale sportliche deutsche Spitzenleistungen gibt es eher seltener. All das hat miteinander zu tun. Und so ist hier nicht vom Sport isoliert zu reden, es geht um die veränderten Prioritäten – jedenfalls in den westlichen Gesellschaften, während anderswo autoritäre Regime umso lauter die alte Prestigemaschine Sport anwerfen.

Sport wozu? Irgendwo zwischen Spaß haben, Zusammenhalt erleben und Rehafunktion schwankt die Realität im Land. Bewegung als Ausgleichsprogramm zum Rumsitzen vor den Bildschirmen. Bewegung als Anlass, mal wieder andere zu treffen – aber bitte ohne Stress. Wie darauf eine positive, freie Leistungsvision aufbauen? Vor allem darüber wird sich entscheiden, ob ein olympischer Funke überspringt. Ob die Anstrengung lohnt.

Eine klug geführte Debatte dazu muss mit einer umfassenden sportlich-kulturellen Idee für alle einher gehen, vernetzt mit Bildungs- und mit Kulturthemen. Es gibt erste Zeichen eines solch positiven Gegentrends. Es geht darum, dies zu stärken.

Dann hoffentlich mit einer neuen Art und Weise, Spaß an der Leistung zu haben – was auch davon abhängt, wie inklusiv, also alle einbeziehend man Leistung definiert. Wie das Gewinnen zelebriert und das Verlieren gelebt wird. Und wie abgehoben demgegenüber der weltweite Spitzensport bleibt.

So groß ist sie, die Herausforderung. Eine, die nicht zuletzt das sportbezogene Kommerzsystem aufbrechen muss. Mit dann eben kleinen Schritten, wo große so schnell nicht gehen. Es ist die eigentlich spannende Frage hinter der langweiligen Polarisierung, wenn es um Bewerbungen für weltweit sichtbare Großveranstaltungen geht. Die danach, was dort sichtbar eigentlich werden soll – außer der Emotion voller Stadien.

Richard Meng ist Chefredakteur der Zeitschrift Neue Gesellschaft / Frankfurter Hefte und Kuratoriumsvorsitzender der Karl-Gerold-Stiftung.

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Die größere Sportfrage

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11.01.2024

Stand: 11.01.2024, 14:22 Uhr

Von: Richard Meng

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Bei der deutschen Bewerbung um olympische Spiele muss es um mehr gehen als den Event. Gebraucht wird eine kulturelle Idee für Bewegung.

Die Handballer haben auch bei der EM hierzulande volle Stadien. Aber es gibt Sportthemen, bei denen bleiben die gespaltenen Reaktionen vorherzusehen – etwa bei Olympischen Spielen. Da ist viel Skepsis.

Dass der organisierte Sport sich zu Beginn des Jahres, das eine deutsche Handball- und Fußball-EM sowie Olympia in Paris mit sich bringt, dennoch auf den Weg in Richtung Olympiabewerbung traut, muss man also gewagt nennen. Was hinter so einem Symbolthema indes schnell verschwindet, sind die eigentlichen Fragen des Sports. Nach der Bewegungslust im Alltag, nach Glaubwürdigkeit und Vorbildwirkung von Spitzensport generell.

Sportvereine werden nach Corona wieder nachgefragt. Es wird aber........

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