Stand: 18.04.2024, 21:18 Uhr

Von: Richard Meng

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In der Nachlese des TV-Duells gingen wichtige Fragen unter, allen voran: Welche Strategie verfolgt die CDU? Die kurze Anwort: keine saubere jedenfalls. Die Kolumne

Jetzt hat sich die Aufregung wieder gelegt. Mit einer Woche Abstand betrachtet könnte man meinen, es war nur eine Provinzposse, die da vom TV-Sender des Springerverlags inszeniert wurde. Thüringens unbekannter CDU-Chef live im Krawallgespräch mit Thüringens rechtsdreistem AfD-Höcke. Es ist vorübergegangen, man musste es ja nicht ansehen.

Aber so einfach ist das nicht. Der Fall wirft weiter Fragen auf, nicht zuletzt an den politischen Journalismus. War es wirklich so, wie das publikumsstärkste Nachrichtenportal behauptete, dass der CDU-Mann in dem sogenannten Duell nur verlieren konnte? Und werden im ach so kritischen öffentlichen Diskurs eigentlich die richtigen Fragen gestellt? Nicht nur bei diesem Thema: auch zum Abschmelzen des Klimagesetzes durch die Ampel oder zum Abtauchen nach der Kommissionsempfehlung beim Paragrafen 218.

Um zu verstehen, was warum passiert, hilft nämlich die sachpolitisch-moralische Betrachtung manchmal wenig, die machtpolitische aber viel. Was ist die wirkliche Machtfrage bei der Landtagswahl im September im Thüringen? Es ist nicht die, ob der Rechtspopulist Höcke 25, 30 oder 35 Prozent holt. Sondern es kommt darauf an, wer im demokratischen Lager auf Platz 2 hinter Höcke den Führungsauftrag bekommt. Der solide, uncharismatische Ministerpräsident Bodo Ramelow oder jener bis dato unbekannte CDU-Mann Mario Voigt.

Ab sofort ist Voigt nicht mehr unbekannt – und alleine darum ging es beim unappetitlichen Einlassen auf einen Höcke, der nun ja sogar wegen Verwendung von SA-Parolen vor Gericht steht. Inhalte unwichtig, Moral sowieso: Der Tabubruch war für Voigt Wert an sich und es hat funktioniert, da hilft hinterher kein journalistischer Faktencheck mehr. Es geht ganz platt darum, ob die CDU im September vor der Linkspartei liegt oder nicht. Um Aufmerksamkeit deshalb. Um die Frage, wer dann die nächste Thüringer Minderheitsregierung anführt, toleriert von wem auch immer (!).

Diese Machtstrategie hat zu wenig eine Rolle gespielt im öffentlichen Diskurs. Dabei müsste doch schon stutzig machen, dass ausgerechnet Springer ein Interesse an dieser Art Aufmerksamkeits-Push hatte. Und auch, dass der kalt kalkulierende Voigt sich immer so wenig klar äußert dazu, in welcher Art Regierung er Karriere machen will.

Sollen, dürfen Demokraten öffentlich mit einem wie Höcke diskutieren? Ja, diese Frage gibt es auch noch. Im Nebeneffekt hat der CDU-Mann Höcke natürlich auf die Bühne gehoben. Dennoch: Die wichtigere Frage an die CDU in Thüringen muss sein, was für ein Machtspiel sie da eigentlich treibt. Kein sauberes jedenfalls.

Interessant ist das dröhnende Schweigen der Merz-CDU im Bund. Deren Strategie ist nämlich genau die umgekehrte: möglichst wenig auffallen und die 30 Prozent aus den aktuellen Umfragen bis zum nächsten Wahltag retten. Der Einzug ins Kanzleramt wäre dann sicher, SPD/Grüne würden wohl mitspielen müssen. Also hat Merz, der Kandidat des Gestrigen, wahrlich kein Interesse an zugespitzten Provokationen.

Die AfD bleibt in jeder Unionsstrategie so etwas wie ein Schattenfaktor. Hochgezogene Kontroversen oder scheinsouveräne Gelassenheit? Wahrscheinlich wird erst die Realität für mehr Transparenz sorgen – in den Kommunen. Am 9. Juni sind im medialen Schatten der Europawahl flächendeckend Kommunalwahlen, zumal im Osten. Mit Ortsparlamenten danach, in denen die Rechtspopulisten jenseits der Städte klar stärkste Kraft zu werden drohen. Dort ist ab Sommer zu besichtigen, was die Winkelzüge diese Tage bedeuten. Spätestens dann wird das Machtspiel öffentlich.

Richard Meng ist Vorsitzender des Kuratoriums der Karl-Gerold-Stiftung und Chefredakteur der Zeitschrift Neue Gesellschaft / Frankfurter Hefte.

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Thüringens TV-Duell wirft weiterhin Fragen auf – vor allem machtpolitische

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19.04.2024

Stand: 18.04.2024, 21:18 Uhr

Von: Richard Meng

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In der Nachlese des TV-Duells gingen wichtige Fragen unter, allen voran: Welche Strategie verfolgt die CDU? Die kurze Anwort: keine saubere jedenfalls. Die Kolumne

Jetzt hat sich die Aufregung wieder gelegt. Mit einer Woche Abstand betrachtet könnte man meinen, es war nur eine Provinzposse, die da vom TV-Sender des Springerverlags inszeniert wurde. Thüringens unbekannter CDU-Chef live im Krawallgespräch mit Thüringens rechtsdreistem AfD-Höcke. Es ist vorübergegangen, man musste es ja nicht ansehen.

Aber so einfach ist das nicht. Der Fall wirft weiter Fragen auf, nicht zuletzt an den politischen Journalismus. War es wirklich so, wie das publikumsstärkste Nachrichtenportal behauptete, dass der CDU-Mann in dem sogenannten Duell nur verlieren konnte? Und werden im ach so kritischen öffentlichen Diskurs eigentlich die richtigen Fragen gestellt? Nicht nur bei........

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