Stand: 16.01.2024, 16:41 Uhr

Von: Stephan Hebel

Kommentare Drucken Teilen

Verlage stehen in besonderer Verantwortung – auch für die Fankfurter Rundschau.

Wer über Demokratie spricht, kann von den Medien nicht schweigen. Jürgen Habermas, der große Kommunikationstheoretiker, hat sie einmal als „jene andere Art von ,Energie‘“ beschrieben, „ohne deren Zufluss Störungen auftreten, die den demokratischen Staat selbst beschädigen“. Wer ein Medium betreibt, muss also an sich selbst den Anspruch stellen, „Energieträger“ für seriöse Information, zivilisierten Diskurs und Meinungsvielfalt zu sein – und damit für die Demokratie.

Es liegt auf der Hand, dass Plattformen, die vom möglichst lautstarken Austausch unhinterfragter „Informationen“ und Extrempositionen leben, diesem Anspruch nicht genügen. Und wo Journalist:innen ihn ignorieren, ist (Selbst-)Kritik nur zu berechtigt. Aber es gibt eben auch Strukturen, die gutem Journalismus im Wege stehen. Zu ihnen gehört, zumindest was die Zeitungslandschaft betrifft, die privatwirtschaftliche, gewinnorientierte Organisationsform der Verlage mit dem ihr eigenen „Zwang“ zum Sparen.

Die Pressekonzentration schreitet Jahr für Jahr fort, an immer mehr Orten gibt es nur noch ein redaktionelles Angebot. Das Publikum hat also keine Möglichkeit mehr, sich wenigstens zwischen zwei unterschiedlichen Perspektiven auf das lokale und überregionale Geschehen zu entscheiden.

Die Entwicklung der Künstlichen Intelligenz (KI), so hilfreich sie zum Teil ist, verstärkt diesen Prozess: Wenn zum Beispiel Axel Springer das Nachrichtenportal „Upday“ nur noch mit KI betreiben und 70 Mitarbeitende entlassen will, bestätigt das einen Trend, den das Portal „Übermedien“ so beschrieben hat: „möglichst automatisiert und standardisiert viel journalismusähnlichen Content mit möglichst wenig Journalisten zu produzieren“.

Dieses Zitat bezog sich allerdings nicht auf Springer, sondern auf die Ippen-Gruppe, in der auch die Frankfurter Rundschau erscheint. Und das hatte seine Gründe.

Wie berichtet, haben im Dezember zwei junge Kolleginnen und ein junger Kollege der FR Kündigungen erhalten: Jana Ballweber, Yagmur Ekim Çay und Maxi Arnhold. Sie standen für Themen wie Digitalisierung, Klimaschutz und gesellschaftliche Diversität. Sie hatten das Zeug dazu, das linksliberale Profil der FR unter neuen und schwierigen Bedingungen in der Medienwelt zu erhalten und nach Möglichkeit zu schärfen, um der Zeitung auch ökonomisch neue Chancen zu eröffnen. Ein Gegenmodell also zu dem Versuch, Redaktionen mit immer weniger Menschen zu betreiben, die Zeit und Gelegenheit haben, sich über die Pressemitteilung auf ihrem Schreibtisch eigene Gedanken zu machen.

Natürlich kann niemand einem Verlag diese Strategie verbieten, solange Medien nicht zuletzt unternehmerischer Gewinnorientierung dienen. Aber das muss ja nicht heißen, dass sie der Identität der FR entspricht. Einer Zeitung, die sich seit ihrer Gründung durch Antifaschisten vor bald 80 Jahren dem Auftrag verpflichtet hat, mehr zu sein als die Erfüllerin einer falsch verstandenen Chronistenpflicht, die zu Vereinheitlichung statt Vielfalt führt und damit letztlich dem demokratischen Diskurs schadet.

Ich habe in manchen Gesprächen seit Dezember trotz allem Ermutigendes gespürt: Der FR-Redaktion ist ihr Auftrag als Energieträgerin der Demokratie nach wie vor sehr bewusst, trotz des schweren Verlusts durch die drei erzwungenen Abgänge und trotz eines schwierigen Umfelds. Sie wird ihn sich bestimmt nicht nehmen lassen.

QOSHE - Ohne starke Medien keine Demokratie - Stephan Hebel
menu_open
Columnists Actual . Favourites . Archive
We use cookies to provide some features and experiences in QOSHE

More information  .  Close
Aa Aa Aa
- A +

Ohne starke Medien keine Demokratie

4 0
16.01.2024

Stand: 16.01.2024, 16:41 Uhr

Von: Stephan Hebel

Kommentare Drucken Teilen

Verlage stehen in besonderer Verantwortung – auch für die Fankfurter Rundschau.

Wer über Demokratie spricht, kann von den Medien nicht schweigen. Jürgen Habermas, der große Kommunikationstheoretiker, hat sie einmal als „jene andere Art von ,Energie‘“ beschrieben, „ohne deren Zufluss Störungen auftreten, die den demokratischen Staat selbst beschädigen“. Wer ein Medium betreibt, muss also an sich selbst den Anspruch stellen, „Energieträger“ für seriöse Information, zivilisierten Diskurs und Meinungsvielfalt zu sein – und damit für die Demokratie.

Es liegt auf der Hand, dass Plattformen, die vom möglichst lautstarken Austausch unhinterfragter „Informationen“ und Extrempositionen leben, diesem Anspruch nicht genügen. Und wo Journalist:innen ihn........

© Frankfurter Rundschau


Get it on Google Play