Stand: 21.01.2024, 16:44 Uhr

Von: Steven Geyer

Kommentare Drucken Teilen

Das Nein des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu zur Zweistaatenlösung zeigt, wie weit der Konflikt mit den Palästinensern davon entfernt ist, gelöst zu werden.

Klar ist, dass es ein Affront gegen die eigenen Verbündeten war, als Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu zuletzt bekräftigte, dass er einen Palästinenserstaat mit aller Kraft verhindern werde – obwohl die USA ihm das gerade wochenlang als Nachkriegslösung einreden wollten.

Klar ist auch, dass Amerika und Europa die Aussage Netanjahus nicht auf sich beruhen lassen können. Die Bundesregierung mahnte, eine Zweistaatenlösung bleibe „für uns die einzige Möglichkeit“, für Frieden in der Region. US-Präsident Biden redete Netanjahu ins Gewissen und erklärte danach, auch mit diesem Premier sei ein Palästinenserstaat möglich. Und der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell drohte sogar, die Zweistaatenlösung notfalls gegen den Willen Israels durchzusetzen. Das klang nach gerissenem Geduldsfaden.

Kein Wunder: Netanjahus Ausspruch hat die Wucht, die letzten Illusionen seiner Verbündeten zu ruinieren. Die Zweistaatenlösung war der Strohhalm, an den der Westen sich klammerte, wenn es um Frieden in Nahost ging – obwohl sie immer ferner rückte: sabotiert von Netanjahus Siedlungspolitik und palästinensischen Sympathien für Hassprediger, vernachlässigt vom untätigen Europa. Es ist Zeit, die Augen zu öffnen: Der Konflikt steckt in der Sackgasse, ausweglos.

Wenn jetzt die Hoffnung ventiliert wird, gerade die Brutalität des Hamas-Terrors vom 7. Oktober und die Heftigkeit der israelischen Vergeltung könnten einen Neustart ermöglichen, redet die Lage schön. Was angesichts der Lage ein wahres Kunststück ist.

Ja, Netanjahu agiert rein innenpolitisch motiviert, weil er massiv unter Druck steht. Seine Umfragewerte stürzen ab, die Israelis werfen ihm vielfaches Versagen vor, die Rufe nach Neuwahlen werden lauter. Dennoch ist es westliches Wunschdenken, dass die Israelis dabei ausgerechnet für einen Palästinenserstaat votieren würden.

Denn sie haben nicht nur die menschenverachtende Gewalt der Hamas gesehen, sondern auch, wie dieser in den Palästinensergebieten applaudiert wurde. Jene, die das ganze Land wollten, sehen sich der Gelegenheit näher denn je. Und jene, die Versöhnung anstrebten, fühlen sich verraten.

Die unvorstellbare Brutalität der Hamas spricht für die Israelis verständlicherweise dagegen, nun mit einem Palästinenserstaat einen potenziellen Hafen für die Terroristen zu installieren. Und dass auf den 7. Oktober keine nennenswerte Solidarisierungswelle in der Welt folgte, sondern stattdessen der israelische Gegenschlag Antisemitismus und eine Klage wegen Völkermords auslöste, dürfte auch bei vielen in Israel nicht für Kompromissbereitschaft sorgen. Wie würde die Bevölkerung jedes anderen demokratischen Landes darauf reagieren?

Von allen Stimmen des Wochenendes analysiert es der EU-Außenbeauftragte Borrell wohl am treffendsten, wenn er sagt, von Israelis und Palästinensern sei kein Kompromiss zu erwarten. Wie er die Zweistaatlichkeit jedoch „von außen aufzwingen“ will, ist unklar.

Es wäre ein bisher unbekanntes Vorgehen – was schon deshalb problematisch ist, weil Israel eben demokratisch verfasst ist. Anders als alle Anrainer und anders als die Selbstverwaltung der Palästinenser. Man darf skeptisch sein, wie die USA sie so reformieren wollen, dass sie nach Kriegsende eine legitime Regierung für ein unabhängiges Gaza werden kann.

So liegt die Hoffnung wieder in der Hand der Israelis: Sollten sie glauben, dass die Zweistaatenlösung Sicherheit und Frieden bringt, müssten sie bei nächster Gelegenheit gegen Netanjahu und für einen Neustart stimmen. Darauf wetten sollte aber niemand. Berichte S. 8

QOSHE - In der Sackgasse - Steven Geyer
menu_open
Columnists Actual . Favourites . Archive
We use cookies to provide some features and experiences in QOSHE

More information  .  Close
Aa Aa Aa
- A +

In der Sackgasse

6 0
21.01.2024

Stand: 21.01.2024, 16:44 Uhr

Von: Steven Geyer

Kommentare Drucken Teilen

Das Nein des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu zur Zweistaatenlösung zeigt, wie weit der Konflikt mit den Palästinensern davon entfernt ist, gelöst zu werden.

Klar ist, dass es ein Affront gegen die eigenen Verbündeten war, als Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu zuletzt bekräftigte, dass er einen Palästinenserstaat mit aller Kraft verhindern werde – obwohl die USA ihm das gerade wochenlang als Nachkriegslösung einreden wollten.

Klar ist auch, dass Amerika und Europa die Aussage Netanjahus nicht auf sich beruhen lassen können. Die Bundesregierung mahnte, eine Zweistaatenlösung bleibe „für uns die einzige Möglichkeit“, für Frieden in der Region. US-Präsident Biden redete Netanjahu ins Gewissen und erklärte danach, auch mit diesem Premier sei ein Palästinenserstaat möglich. Und der EU-Außenbeauftragte........

© Frankfurter Rundschau


Get it on Google Play