Stand: 04.01.2024, 16:21 Uhr

Von: Tim Szent-Ivanyi

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Kanzler Olaf Scholz kümmert sich im Hochwassergebiet zu Recht um die Menschen in Not. Er und seine Ampelkoalition lassen aber zu vieles offen.

Mit seinem abermaligen Besuch in den Hochwassergebieten macht Olaf Scholz genau das, was die Menschen von einem Kanzler zu Recht erwarten: Er interessiert sich für die Sorgen und Nöte der Betroffenen, zeigt Mitgefühl, stellt Hilfen in Aussicht. Auch wenn es hier viel um Regierungs-PR, um Symbolik und möglichst beeindruckende Fernsehbilder geht, darf die Wirkung auf die praktische Politik nicht unterschätzt werden.

Auch einen so nüchternen und oft als arrogant wahrgenommenen Menschen wie Olaf Scholz wird der Blick auf die überschwemmten Gebiete nicht kaltlassen, zumal er mit seinem Besuch ein öffentliches Statement dafür abgibt, dass der Staat die Menschen, deren Hab und Gut in den Fluten untergegangen ist, nicht alleinlässt. Daran muss er sich fortan messen lassen.

Das war es dann allerdings auch schon mit den guten Nachrichten. Denn die Ampelkoalition wird wieder einmal ihrem Ruf gerecht, ein tief zerstrittener Haufen zu sein, dem ein gemeinsamer Kompass abhanden gekommen ist – sollte es ihn je gegeben haben.

Auf dem Rücken der Betroffenen wird ein Streit weitergeführt, der mit dem vorgeblichen Kompromiss über den Haushalt 2024 nicht ansatzweise gelöst, sondern lediglich vertagt worden war: Wie hält es die Ampel mit der Schuldenbremse?

SPD und Grüne haben nun nichts Besseres zu tun, als das Hochwasser umgehend als Beleg dafür zu nutzen, dass die Schuldenbremse erneut ausgesetzt und ohnehin reformiert werden muss. Die FDP hält weiter dagegen und lässt sich dabei ausgerechnet von der oppositionellen Union unterstützen.

Das ist ein unwürdiges Schauspiel auf Kosten derjenigen Menschen, die sich gerade um vieles sorgen, aber sicher nicht um die Staatsfinanzen und die Schuldenbremse. Die Sachlage ist ohnehin klar: Für Naturkatastrophen bietet das Grundgesetz ausdrücklich die Möglichkeit, die strengen Kreditobergrenzen ausnahmsweise zu überschreiten.

Und Finanzminister Christian Lindner hat längst deutlich gemacht, dass er diesen Weg bereit ist zu gehen – anders als bei einer mit der Ukrainehilfe begründeten Aussetzung, die er – warum auch immer – für nicht verfassungsfest hält.

So hat die Ampelkoalition schon vereinbart, die Wiederaufbauhilfe nach der Ahrtalflut von 2021 weiter zu finanzieren und dafür auch 2024 die Ausnahmeklausel zu nutzen – wenn auch nur für wenige Milliarden Euro und öffentlich nicht klar kommuniziert. Den Spielraum nun für die Bewältigung der Schäden des aktuellen Hochwassers zu erweitern, wäre verfassungsrechtlich völlig unproblematisch.

Dass die Schuldenbremse reformiert werden muss, steht auf einem ganz anderen Blatt. Sie ist eine Investitionsbremse, was nun erneut sichtbar wird. Das Versprechen der Politik nach der Ahrtalflut, den Katastrophen- und Bevölkerungsschutz durchgreifend zu verbessern, wurde bisher auch aus Haushaltsgründen nicht eingelöst.

So sollten beispielsweise zehn mobile Betreuungsmodule für den Einsatz bei zerstörter Infrastruktur beschafft werden, mit denen jeweils 5000 Menschen versorgt werden könnten. Bisher gibt es lediglich eines davon. Dabei ist völlig unstrittig, dass mit dem Klimawandel die Zahl der extremen Wetterlagen stark steigt. Überschwemmungen werden immer mehr zum Normalfall.

Zur Wahrheit gehört eben auch, dass es für die Reform der Schuldenbremse keine politische Mehrheit gibt. FDP und Union meinen, die besseren Argumente für ein Festhalten an der Grundgesetzregel zu haben. Jammern hilft aber nicht. Die Wählerinnen und Wähler haben es in der Hand, bei der nächsten Bundestagswahl für andere Mehrheitsverhältnisse zu sorgen. Bericht S. 30

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04.01.2024

Stand: 04.01.2024, 16:21 Uhr

Von: Tim Szent-Ivanyi

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Kanzler Olaf Scholz kümmert sich im Hochwassergebiet zu Recht um die Menschen in Not. Er und seine Ampelkoalition lassen aber zu vieles offen.

Mit seinem abermaligen Besuch in den Hochwassergebieten macht Olaf Scholz genau das, was die Menschen von einem Kanzler zu Recht erwarten: Er interessiert sich für die Sorgen und Nöte der Betroffenen, zeigt Mitgefühl, stellt Hilfen in Aussicht. Auch wenn es hier viel um Regierungs-PR, um Symbolik und möglichst beeindruckende Fernsehbilder geht, darf die Wirkung auf die praktische Politik nicht unterschätzt werden.

Auch einen so nüchternen und oft als arrogant wahrgenommenen Menschen wie Olaf Scholz wird der Blick auf die überschwemmten Gebiete nicht kaltlassen, zumal er mit seinem Besuch ein öffentliches Statement dafür abgibt, dass der Staat die Menschen, deren Hab und Gut in den Fluten........

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