Hannover. Es klang nach einer schönen Idee: Im hannoverschen Rat, dem höchsten Entscheidungsgremium der Stadt, legen alle Parteien ihre Ideen auf den Tisch, diskutieren das Für und Wider, und am Ende wird die beste Idee mehrheitlich beschlossen. So sollte nach Ansicht der SPD die Zusammenarbeit nach dem rot-grünen Koalitionsbruch laufen. Es zähle allein die „Kraft des Arguments“, kündigte Parteichef Adis Ahmetovic an. Doch jetzt wird deutlich, dass die schöne Utopie der „wechselnden Mehrheiten“ keine Chance hat, Wirklichkeit zu werden.

Hinter den Kulissen verstetigen sich die Absprachen zwischen SPD, CDU und FDP. Immer mehr Anträge mit den Unterschriften der drei Fraktionschefs werden dem Rat vorgelegt und auch beschlossen. Die Grünen dagegen finden kaum noch Zustimmung für ihre Ideen. Lediglich bei unstrittigen Themen, etwa einer Resolution gegen Antisemitismus, konnten sie zuletzt eine Mehrheit des Rates überzeugen.

„Es zählt die Kraft des Arguments“: SPD-Parteichef Adis Ahmetovic verkündet kurz nach Koalitionsbruch das Modell wechselnder Mehrheiten.

Quelle: Tim Schaarschmidt

Dazu ein paar Beispiele: Als im Dezember das Thema Gewalt an Schulen aufkam und die IGS Büssingweg einen Brandbrief an Stadt, Land und Politik schrieb, setzten sich SPD, CDU und FDP zusammen, um in einem Dringlichkeitsantrag Gegenmaßnahmen zu fordern. Die Grünen sahen manche der darin enthaltenen Forderungen kritisch, konnten sich aber nicht durchsetzen.

Beim geplanten Umbau des Steintorplatzes einigten sich SPD, CDU und FDP auf eine ganze Reihe von Wünschen. Die Grünen hatten erneut das Nachsehen. Dass jetzt beim Umbau der Langen Laube zur Fahrradstraße SPD und Grüne im Bauausschuss mal wieder gemeinsam für ein Konzept stimmten, ist jetzt die eine berühmte Ausnahme, die die Regel bestätigt.

Kompromisslos: Oberbürgermeister Belit Onay (Grüne) bringt höhere Parkgebühren für Besitzer größerer Autos ins Gespräch.

Quelle: Jonas Dengler

Offiziell betonen die Spitzen von SPD, CDU und Grünen noch immer, dass sie mit allen demokratischen Parteien sprächen und dem Modell wechselnder Mehrheiten folgten. Doch das sind nur Lippenbekenntnisse. Ehrlicher wäre es zuzugeben, dass die Stadtpolitik immer stärker von einem „Deutschland-Bündnis“ bestimmt wird. Und klar ist auch, dass dieses Bündnis unter anderem das Ziel verfolgt, Oberbürgermeister Belit Onay (Grüne) und seine Fraktion zu schwächen. Dagegen haben die Grünen noch kein Mittel gefunden.

Eine Möglichkeit, um Rot-Schwarz-Gelb aufzubrechen, wäre, wenn die Grünen sich stärker in Richtung CDU öffnen würden. Das aber ist nicht zu erkennen. Stattdessen denkt Oberbürgermeister Onay laut darüber nach, Besitzer von großen Autos höhere Parkgebühren abzuknöpfen. Dass so etwas nicht gut bei bürgerlichen Parteien ankommt, liegt auf der Hand. Wenn die Grünen aber an ihrer reinen Lehre festhalten wollen, sind sie faktisch Opposition im Rat. Dann können sie sich weiterhin kompromisslos geben und auf einen Wahlerfolg im Jahr 2026 hoffen.

Ob die Strategie aufgeht, bleibt abzuwarten. Gleiches gilt im Übrigen auch für den Anti-Grünen-Kurs von SPD, CDU und FDP.

HAZ

QOSHE - KostenpflichtigKostenpflichtig Wechselnde Mehrheiten im Rat? In Hannover hat das nicht geklappt - Andreas Schinkel
menu_open
Columnists Actual . Favourites . Archive
We use cookies to provide some features and experiences in QOSHE

More information  .  Close
Aa Aa Aa
- A +

KostenpflichtigKostenpflichtig Wechselnde Mehrheiten im Rat? In Hannover hat das nicht geklappt

9 14
09.03.2024

Hannover. Es klang nach einer schönen Idee: Im hannoverschen Rat, dem höchsten Entscheidungsgremium der Stadt, legen alle Parteien ihre Ideen auf den Tisch, diskutieren das Für und Wider, und am Ende wird die beste Idee mehrheitlich beschlossen. So sollte nach Ansicht der SPD die Zusammenarbeit nach dem rot-grünen Koalitionsbruch laufen. Es zähle allein die „Kraft des Arguments“, kündigte Parteichef Adis Ahmetovic an. Doch jetzt wird deutlich, dass die schöne Utopie der „wechselnden Mehrheiten“ keine Chance hat, Wirklichkeit zu werden.

Hinter den Kulissen verstetigen sich die Absprachen zwischen SPD, CDU und FDP. Immer mehr Anträge mit den Unterschriften der drei Fraktionschefs werden dem Rat vorgelegt und auch beschlossen. Die Grünen dagegen finden kaum noch Zustimmung für........

© HAZ


Get it on Google Play