Berlin. Russland hat ein Gespräch hoher deutscher Offiziere belauscht, es wurde mitgeschnitten und veröffentlicht. Es ging um den Wunsch der Ukraine nach Taurus-Marschflugkörpern, um Hotelausblicke und Dienstreisen. Der Vorfall ist blamabel für die Bundesregierung und vor allem auch für die Bundeswehr. Und gleichzeitig ist er ein Lehrbeispiel für die Funktionsweise russischer Propaganda.

Zunächst einmal ist kaum zu glauben, dass Generale sich über ihre Strategien offenbar mal eben über einen kommerziellen Telefonschaltkanal austauschen – mitten in einem Krieg, in dem der Angreifer eine Reputation als Internetkrieger hat und in dem ein kleiner falscher Schritt zu einer noch größeren Katastrophe führen könnte. Warum noch mal hat die Bundeswehr ein eigenes Cyber-Abwehrzentrum eingerichtet?

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Das Vorgehen ist in einer Weise unvorsichtig, dass sich schon fast vermuten lässt, es stecke Absicht dahinter. Dafür allerdings ist der Kollateralschaden zu groß: Die Bundeswehr steht als fahrlässig da. Der Verteidigungsminister hat sich trotz monatelanger Debatte offenbar noch nicht so richtig tiefgehend über Taurus informieren lassen – aber immerhin, so ist dem Mitschnitt zu entnehmen, hat er schon mal neben so einem Ding gestanden.

Dem Kanzler wird das Argument aus der Hand genommen, der Taurus könne wegen der nötigen Beteiligung der Bundeswehr bei der Bedienung nicht geliefert werden. Die Offiziere stellen schließlich – wenn auch erst nach einigem Hin und Her – fest, dass bei ausreichend langer Ausbildung die ukrainischen Soldaten auch diese Waffe selbstständig einsetzen könnten. Sie halten allerdings auch fest: Den Krieg entscheiden wird Taurus nicht.

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Militärische Neuigkeiten allerdings hat die russische Staatsführung, die den Gesprächsausschnitt in einer Mischung aus Triumph und Empörung kommentiert, wohl kaum erfahren. Es ist keine Abhöraktion nötig, um zu wissen, dass in Deutschland über Taurus-Lieferungen diskutiert wird. Und dass sich die Bundeswehr auf so eine Eventualität vorbereitet, dürfte auch im Kreml vorausgesetzt werden.

Die deutschen Offiziere erörterten Ausbildungszeiten für ukrainische Soldaten, die lieferbare Menge und die Krimbrücke sowie Munitionsdepots als mögliche Ziele. Diese Ziele hat die Ukraine vorgegeben. Stückzahlen und Ausbildungszeiten ließen sich schon bisher in etwa ableiten – von der Ausbildungsdauer an der Patriot-Flugabwehr und den schon länger im Raum stehenden Zahlen der Verfügbarkeit von Taurus bei der Bundeswehr.

Ein Gespräch von Bundeswehroffizieren über den Taurus-Marschflugkörper ist abgehört worden. Russische Propagandakanäle veröffentlichten davon einen Mitschnitt.

Quelle: Reuters

In der Propagandaschlacht, die den Krieg begleitet, ist die Aufnahme für Russland allerdings ein willkommenes Instrument. Bei den eigenen Leuten lässt sich damit die Erzählung vom aggressiven Westen füttern und so die eigene Aggression zudecken. Russland war es, das die Ukraine überfallen hat. Wenn in Ukraine-Unterstützerländern wie Deutschland nun Verunsicherung geschürt und Glaubwürdigkeit handelnder Akteure untergraben werden kann – dem Kreml gefällt’s. Dabei helfen sogar Banalitäten wie Geplänkel über Hotels mit Pool auf dem Dach.

Eines aber ist bemerkenswert: Ganz offenkundig hielt die russische Staatsführung es für dringend nötig, den Lauschangriff jetzt kundzutun. Zwei Wochen vor der Pro-forma-Präsidentschaftswahl läuft nicht alles nach Wunsch des Kremls. Die Menschenmengen, die bei der Beerdigung und auch in den Tagen danach noch am Grab des Oppositionspolitikers Alexej Nawalny trauern, unterlaufen eindrucksvoll die Erzählung von Staatspräsident Wladimir Putin, das ganze Volk stehe hinter ihm und seinem Angriffskrieg.

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Da ist Ablenkung aus Kremlsicht nötig. Die Offiziere haben einen Anlass geliefert. Die Hintergründe müssen aufgeklärt, die Fahrlässigkeit muss abgestellt werden. Und Olaf Scholz muss mal wieder einiges erklären. Bei alldem allerdings gilt es nicht zu vergessen, dass Russland das Hauptproblem in diesem Krieg ist.

QOSHE - Taurus-Leak: Ein Lehrbeispiel der Propaganda und eine Blamage für die Bundeswehr - Daniela Vates
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Taurus-Leak: Ein Lehrbeispiel der Propaganda und eine Blamage für die Bundeswehr

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03.03.2024

Berlin. Russland hat ein Gespräch hoher deutscher Offiziere belauscht, es wurde mitgeschnitten und veröffentlicht. Es ging um den Wunsch der Ukraine nach Taurus-Marschflugkörpern, um Hotelausblicke und Dienstreisen. Der Vorfall ist blamabel für die Bundesregierung und vor allem auch für die Bundeswehr. Und gleichzeitig ist er ein Lehrbeispiel für die Funktionsweise russischer Propaganda.

Zunächst einmal ist kaum zu glauben, dass Generale sich über ihre Strategien offenbar mal eben über einen kommerziellen Telefonschaltkanal austauschen – mitten in einem Krieg, in dem der Angreifer eine Reputation als Internetkrieger hat und in dem ein kleiner falscher Schritt zu einer noch größeren Katastrophe führen könnte. Warum noch mal hat die Bundeswehr ein eigenes Cyber-Abwehrzentrum eingerichtet?

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Das Vorgehen ist in einer Weise unvorsichtig, dass sich schon fast........

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