Den passendsten Satz über Christian Streich hörte ich regelmäßig, wenn ich mit Ottmar Hitzfeld über den kauzigen Coach des SC Freiburg sprach: „Wenn der Sportclub drinbleibt, muss Christian Streich eigentlich immer Trainer des Jahres sein“, sagte der einstige Welttrainer, der im Fußball alles gewann, eigentlich bei jeder Saisonanalyse. Und wie so oft hatte Hitzfeld recht.

Denn was Streich mit den – im Vergleich – sehr überschaubaren Möglichkeiten im Breisgau auf die Beine stellte, welchen Fußball er spielen ließ und welche Erfolge er in seinen zwölf Jahren als Chef an der Seitenlinie feierte, sucht seinesgleichen und hebt ihn mindestens auf eine Stufe mit einem seiner Vorgänger, Volker Finke, mit Dauerbrennern wie Otto Rehhagel oder Arsene Wenger. Leider blieb ihm der ganz, ganz große Coup – der Pokalsieg – nicht vergönnt.

Christian Streich hört im Sommer als Trainer beim SC Freiburg auf. Der 58-Jährige übernahm im Winter 2012 den Club. Die Bilder einer einzigartigen Trainerkarriere.

Quelle: imago/Eibner

Doch wenn Christian Streich im Sommer geht, wird es trotzdem kaum einen Superlativ geben, der ihn ausreichend würdigt. Gerade in diesen überhitzten und schnelllebigen Zeiten war er neben seinen taktischen und psychologischen Fähigkeiten vor allem auch immer ein Mensch mit Charisma und Herz, ein Mahner im Bezug auf gesellschaftliche Probleme oder (sport)-politische Fragen. Er traute sich mit seinem sympathischen Akzent den Finger in die Wunde zu legen und Missstände offen anzusprechen – zuletzt im Zusammenhang mit dem Rechtsruck in Deutschland.

So sehr er am Spielfeldrand und auf seiner Trainerbank oft auch über das Ziel hinausschoss und dabei teilweise seine gute Kinderstube vergaß, wenn es um seinen SC ging, so authentisch und emotional waren meist seine Entschuldigungen danach.

Christian Streich wird seinen auslaufenden Vertrag als Trainer des SC Freiburg nicht mehr verlängern. Es ist ein großer Einschnitt für die Badener.

Quelle: dpa

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Mit Streichs Abgang wird dem Fußball, der Bundesliga, natürlich allen voran seinem Klub, etwas verloren gehen, was man im heutigen Hire-and-fire-Business kaum noch findet: ein Typ, eine echte Marke, dessen Symbiose mit seinem Arbeitgeber nahe an der Perfektion war – von der sportlichen Bilanz ganz zu schweigen.

Und (natürlich ist) auch der Zeitpunkt des Abschieds clever gewählt: Der SC hat sich inzwischen in der ersten Hälfte der Bundesliga etabliert, spielte zuletzt sogar international, ist mit seinem neuen Stadion und der tollen Nachwuchsarbeit klasse aufgestellt und auch ohne sein großes Zugpferd für die Zukunft gerüstet. Streich selbst hat erkannt, dass sogar er langsam müde wird und will verhindern, dass er sich wie viele andere Kollegen abnützt oder gar verbrennt. Man kann ihm dazu nur gratulieren: Besser geht nicht!

QOSHE - Streich-Ende in Freiburg: Nahe an der Perfektion - Heiko Ostendorp
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Streich-Ende in Freiburg: Nahe an der Perfektion

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18.03.2024

Den passendsten Satz über Christian Streich hörte ich regelmäßig, wenn ich mit Ottmar Hitzfeld über den kauzigen Coach des SC Freiburg sprach: „Wenn der Sportclub drinbleibt, muss Christian Streich eigentlich immer Trainer des Jahres sein“, sagte der einstige Welttrainer, der im Fußball alles gewann, eigentlich bei jeder Saisonanalyse. Und wie so oft hatte Hitzfeld recht.

Denn was Streich mit den – im Vergleich – sehr überschaubaren Möglichkeiten im Breisgau auf die Beine stellte, welchen Fußball er spielen ließ und welche Erfolge er in seinen zwölf Jahren als Chef an der Seitenlinie feierte, sucht seinesgleichen und hebt ihn mindestens auf eine Stufe mit einem seiner Vorgänger, Volker........

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