Die AfD ist in den vergangenen Wochen zur Kenntlichkeit entstellt worden. Als eine Partei, die keine Alternative für, sondern gegen Deutschland ist. Die so offen gegen die liberale Demokratie und die westlichen Werte agitiert, dass sie dubiose Kontakte zu Autokraten und Oligarchen nicht nur duldet, sondern fördert – und nun auch noch einen massiven Spionagefall in den eigenen Reihen hat.

Jeder anderen Partei würden die im Raum stehenden Vorwürfe massiv schaden. In jeder anderen Partei wären die Nummern 1 und 2 der Europaliste, würde ihnen Vorteilsnahme durch prorussische Oligarchen vorgeworfen, schon längst zurückgetreten. Nicht so in der AfD. In jeder anderen Partei würde ein Spitzenpolitiker, dessen engster Mitarbeiter wegen des Verdachts der Spionage für China in Haft sitzt, hoffentlich sofort die Konsequenzen ziehen. Nicht so in der AfD.

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Maximilian Krah, dessen Vertrauter Jian G. nun verhaftet wurde, ist schwer zu verstecken. Der AfD-Spitzenkandidat für die Wahl zum EU-Parlament ist körperlich ein Hüne, stilistisch ein Dandy, habituell und rhetorisch ein Lautsprecher. Bescheidenheit zählt hingegen nicht zu seinen hervorstechenden Eigenschaften. Und politische Einsicht ebenfalls nicht. Mit Mühe haben die AfD-Parteivorsitzenden Alice Weidel und Tino Chrupalla den Problembären Krah in den Giftschrank bugsiert. Den Auftakt zum Europawahlkampf und wahrscheinlich auch die meisten weiteren Termine bestreiten Weidel und Chrupalla jetzt ohne einen sichtbaren Spitzenkandidaten.

Doch der Wille und die Konsequenz fehlen, ihn komplett aus dem Rennen zu nehmen. Die Wahlzettel sind schon gedruckt, die Liste kann nicht mehr geändert werden - das sind die formellen Argumente, Krah nicht komplett das Vertrauen zu entziehen. Einen Mandatsverzicht – und damit auch den Verzicht auf fünf Jahren lukrativer Einnahmen - müsste er selber erklären. Dazu wird es nicht kommen, nicht bei der AfD.

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Verantwortlich für die Misere ist aber nicht nur Krah. Verantwortlich sind auch die Parteichefs, die seine Kandidatur nicht verhindert haben. Denn die Vorwürfe einer allzu großen Nähe zu Russland und China gibt es über ihn schon lange. Auch sein nun verhafteter Mitarbeiter stand schon lange unter Verdacht. Aus machttaktischen Gründen hat vor allem Chrupalla seinen sächsischen Parteifreund gestützt, auch Weidel verhinderte ihn nicht. Und sie pflegen beide ihre eigenen Drähte zu den Autokraten in Moskau und Beijng.

Jeder anderen Partei würde das alles bei der Europawahl massiv schaden. Auch der AfD? In den Umfragen ist die Rechtspartei zuletzt wieder abgesackt. Die Basis hat die Schnauze voll, sich an den Wahlkampfständen für Krahs und Bystrons Eskapaden rechtfertigen zu müssen. Am einfachsten aber geht das mit dem Rezept der Rechtspopulisten überall auf der Welt: Leugnen, ablenken und delegitimieren.

Die AfD-Chefs beraten mit AfD-Politiker Maximilian Krah über Konsequenzen nach der Festnahme seines Mitarbeiters wegen Spionageverdachts.

Quelle: dpa

Keine andere Partei würde bei ihren Wählern damit durchkommen. Aber die AfD? Die Parolen ihrer Funktionäre sind in den vergangenen Jahren immer schriller geworden. Zur immer aggressiveren Niedergangsrhetorik hat sich ein Anti-Amerikanismus gesellt, nachdem es sogar legitim ist, Putins – und sogar Chinas – Interessen in Deutschland zu vertreten. Die Geheimdienstoperationen gegen das prorussische Netzwerk „Voice of Europe“ und die Festnahme von Krahs Mitarbeiter werden reflexhaft als politisch motiviert abgetan.

Zugleich aber versuchen sich Chrupalla und Weidel halbherzig in Schadensbegrenzung. Sie agieren plan- und ratlos. Und sie hinterlassen ein wenig schmeichelhaftes Bild von der AfD als Sicherheitsrisiko für die Bundesrepublik: Eines von nützlichen Idioten.

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Zur Kenntlichkeit entstellt: Die AfD, eine Partei nützlicher Idioten

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24.04.2024

Die AfD ist in den vergangenen Wochen zur Kenntlichkeit entstellt worden. Als eine Partei, die keine Alternative für, sondern gegen Deutschland ist. Die so offen gegen die liberale Demokratie und die westlichen Werte agitiert, dass sie dubiose Kontakte zu Autokraten und Oligarchen nicht nur duldet, sondern fördert – und nun auch noch einen massiven Spionagefall in den eigenen Reihen hat.

Jeder anderen Partei würden die im Raum stehenden Vorwürfe massiv schaden. In jeder anderen Partei wären die Nummern 1 und 2 der Europaliste, würde ihnen Vorteilsnahme durch prorussische Oligarchen vorgeworfen, schon längst zurückgetreten. Nicht so in der AfD. In jeder anderen Partei würde ein Spitzenpolitiker, dessen engster Mitarbeiter wegen des Verdachts der Spionage für China in Haft sitzt, hoffentlich sofort die Konsequenzen ziehen. Nicht so in der AfD.

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