Vermummte Fans vorm Stadion: Das Derby zwischen Hannover 96 und Eintracht Braunschweig Anfang November war als sogenanntes Hochrisikospiel eingestuft.

© Quelle: Moritz Frankenberg/dpa

Fußballspiele mit gewalttätigen Ausschreitungen wie jüngst beim Derby zwischen Hannover 96 und Braunschweig produzieren hohe Kosten für Polizeieinsätze. Die Clubs müssen mehr dagegen tun – oder zahlen, meint Karl Doeleke

Hannover. Vor ungefähr 100 Jahren – Fußball war damals in Deutschland noch als „Fußlümmelei“ und „englischer Aftersport“ verschrien – hatte das preußische Oberverwaltungsgericht einen kuriosen Fall zu entscheiden. Der Rechtsstreit, den ein Berliner Kaufhausbesitzer damals mit der Polizei ausfocht, hatte nichts mit Sport zu tun. Er hilft aber beim Verständnis der Auseinandersetzung, die Niedersachsens Innenministerin Daniela Behrens (SPD) kürzlich mit Hannover 96 und der Deutschen Fußball Liga (DFL) angezettelt hat.

Im Mittelpunkt stand damals wie heute die Frage: Wen kann der Staat für Polizeieinsatzkosten in Anspruch nehmen? Kann also das Land Niedersachsen die Fußballclubs zur Kasse bitten, wenn bei Hochrisikospielen wie dem jüngsten Derby zwischen 96 und Eintracht Braunschweig sehr viel Polizei nötig ist? Nein, sagt die DFL. Immerhin tun die Clubs selbst ja nichts Unrechtes, sie wollen nur ein Fußballspiel ausrichten.

Die DFL irrt. Selbstverständlich können die Länder die Vereine jedenfalls für einen Teil der Kosten eines ungewöhnlich aufwendigen Polizeieinsatzes in Anspruch nehmen. Sie müssen nur wollen. Bisher will das nur Bremen, aber mehr und mehr Innenminister sind geneigt, dem zu folgen. Die Grundidee für den rechtlichen Hebel hat das preußische Oberverwaltungsgericht im sogenannten Schaufensterpuppenfall entwickelt.

Durch eine Mechanik im Inneren bewegten sich die Puppen wie von Geisterhand. Für die Menschen in Berlin vor 100 Jahren war das so interessant, dass sie in Massen vor das Schaufenster des Kaufhauses strömten. Der Verkehr kam zum Erliegen, und die Polizei musste einschreiten. Den Einsatz musste der Kaufhausbesitzer bezahlen. Er habe die Schaulust der Passanten anregen wollen – also war er auch für den Tumult und die Störung des Verkehrs vor seinem Kaufhaus verantwortlich. Dieselbe „besondere Verantwortlichkeit“ trifft heute die 34 Fußballclubs der DFL bei Fanausschreitungen. So haben es Richter im 21. Jahrhundert anhand der Bremer Gebühren entschieden.

Höchstwahrscheinlich wird das Bundesverfassungsgericht das bald bestätigen. 96-Boss Martin Kind und seine Kollegen sollten Behrens’ Drohung daher ernst nehmen und endlich selbst mehr für die Sicherheit tun: Niemand glaubt, dass die Clubs machtlos gegen Pyrotechnik in ihren Stadien sind. Personalisierte Eintrittskarten könnten helfen, Gewalttäter zu identifizieren und fernzuhalten.

Die milliardenschwere DFL findet es unzumutbar, sich an den Polizeikosten zu beteiligen? Der Allgemeinheit ist es noch weniger zuzumuten.

HAZ

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02.12.2023

Vermummte Fans vorm Stadion: Das Derby zwischen Hannover 96 und Eintracht Braunschweig Anfang November war als sogenanntes Hochrisikospiel eingestuft.

© Quelle: Moritz Frankenberg/dpa

Fußballspiele mit gewalttätigen Ausschreitungen wie jüngst beim Derby zwischen Hannover 96 und Braunschweig produzieren hohe Kosten für Polizeieinsätze. Die Clubs müssen mehr dagegen tun – oder zahlen, meint Karl Doeleke

Hannover. Vor ungefähr 100 Jahren – Fußball war damals in Deutschland noch als „Fußlümmelei“ und „englischer Aftersport“ verschrien – hatte das preußische Oberverwaltungsgericht einen kuriosen Fall zu entscheiden. Der Rechtsstreit, den ein Berliner Kaufhausbesitzer damals mit der Polizei ausfocht, hatte nichts........

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