Wie radikal sich die Welt auch für die Bundeswehr verändert hat, zeigte sich am Donnerstagmorgen einmal mehr im kühlen Pressesaal des zuständigen Verteidigungsministeriums. Marineinspekteur Jan Christian Kaack sagte mit Blick auf den bevorstehenden Einsatz gegen die Huthi-Rebellen im Roten Meer, die Fregatte „Hessen“ werden „im sogenannten Kriegsmarsch“ fahren, sei also in ständiger Alarmbereitschaft. Es stehe voraussichtlich ein „scharfer Waffengang“ an. Unterdessen fürchten immer mehr Militärexperten, dass Russland bald einen Nato-Staat angreifen könnte – dann nämlich, wenn es die Ukraine besiegt haben sollte. Einer dieser Nato-Staaten ist Litauen, wo die Bundeswehr eine ständige Brigade stationieren will.

Am Ausgang des Bundeswehr-Camps in der afghanischen Hauptstadt Kabul stand Anfang der Nullerjahre ein Plakat mit der Aufforderung: „Lächeln und winken“. Manche Angehörige der deutschen Streitkräfte verstanden sich als Entwicklungshelfer unter Waffen. Neuerdings hat Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) „Kriegstüchtigkeit“ angemahnt. Denn er weiß: Es gibt sie nicht. Und Deutschland kann allein wegen seiner schieren Größe nicht abtauchen.

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Geld ist noch das geringste Problem. Das 100 Milliarden Euro schwere Sondervermögen für die Bundeswehr ist spätestens Ende 2027 verbraucht. Ab 2028 sind zirka 20 Milliarden Euro zusätzlich fällig – pro Jahr. Die Mittel wären unter den aktuellen Umständen nicht verfügbar. Entweder müsste die Schuldenbremse fallen, oder die Steuern müssten steigen: Beides wäre mit der Ampelkoalition nicht zu machen.

Mit dem Personal verhält es sich ähnlich. Die Bundeswehr soll von rund 180.000 auf über 200.000 Soldatinnen und Soldaten wachsen. Freilich besteht die gegenteilige Gefahr: dass sie schrumpft, weil die Bundeswehr mit der Wirtschaft konkurriert, weil das Personalmanagement zu bürokratisch ist und weil man „das scharfe Ende“ in der Truppe jetzt einkalkulieren muss, also Tod und Verwundung. Von wegen lächeln und winken.

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Das Ministerium will an kleineren Stellschrauben drehen. Aber das wird nicht reichen. Auch sonst zeigt sich das Beharrungsvermögen des Apparats bislang stärker als der Minister. Schließlich wäre die Einführung einer Art Wehrpflicht nach schwedischem Vorbild – alle werden gemustert und ein Teil wird gezielt angeworben – das Mindeste. Das jedoch wäre mit der Ampelkoalition ebenfalls schwierig, erst recht bei nahender Bundestagswahl.

Der tiefere Grund für die Misere ist das Mindset einer zutiefst zivilen Gesellschaft, in der an allen möglichen Stellen harte Interessenkonflikte entstehen und die Bereitschaft, über den Rand der eigenen Brillengläser zu gucken, dramatisch abnimmt. Insofern zeigen die Mängel bei der Bundeswehr auch die objektiven Grenzen von Politik.

Nach einer etwaigen Wiederwahl Donald Trumps zum Präsidenten der USA könnte das große Erwachen folgen. Doch sicher ist das nicht. Dass Oppositionsführer Friedrich Merz den Schalter als Kanzler einfach so umlegen würde, darf im Übrigen bezweifelt werden. Auch er denkt ja, dass es ohne neue Schulden und höhere Steuern geht. Die Rufe nach Wiedereinführung der Wehrpflicht ertönen in CDU und CSU ebenfalls eher am Rande. Immerhin waren sie es, die die Wehrpflicht 2011 ausgesetzt haben.

In der Opposition zum eigenen Nutzen die Regierung zu attackieren, ist das eine. Aber in der Regierung harte Wahrheiten zu verkünden, ist etwas ganz anderes. Unionskanzler sind damit nicht bekannt geworden.

QOSHE - Ist Deutschland kriegstüchtig? Noch lange nicht - Markus Decker
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Ist Deutschland kriegstüchtig? Noch lange nicht

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08.02.2024

Wie radikal sich die Welt auch für die Bundeswehr verändert hat, zeigte sich am Donnerstagmorgen einmal mehr im kühlen Pressesaal des zuständigen Verteidigungsministeriums. Marineinspekteur Jan Christian Kaack sagte mit Blick auf den bevorstehenden Einsatz gegen die Huthi-Rebellen im Roten Meer, die Fregatte „Hessen“ werden „im sogenannten Kriegsmarsch“ fahren, sei also in ständiger Alarmbereitschaft. Es stehe voraussichtlich ein „scharfer Waffengang“ an. Unterdessen fürchten immer mehr Militärexperten, dass Russland bald einen Nato-Staat angreifen könnte – dann nämlich, wenn es die Ukraine besiegt haben sollte. Einer dieser Nato-Staaten ist Litauen, wo die Bundeswehr eine ständige Brigade stationieren will.

Am Ausgang des Bundeswehr-Camps in der afghanischen Hauptstadt Kabul stand Anfang der Nullerjahre ein Plakat mit der Aufforderung: „Lächeln und winken“. Manche Angehörige der deutschen Streitkräfte........

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