Vor ein paar Wochen sah es noch sehr hoffnungsvoll aus. Um späteren Angriffen der AfD zuvorzukommen, hatte die Ampelkoalition vorgeschlagen, Einzelheiten zur Wahl und Amtszeit von Verfassungsrichtern nicht nur in einem einfachen Gesetz, sondern im Grundgesetz festzuschreiben – um etwa zu verhindern, dass bei einem Regierungswechsel Richter vergleichsweise einfach aus dem Amt entfernt werden könnten oder ein dritter Senat mit willfährigen Richtern gebildet würde. Die Union hatte das einzig Richtige getan: Sie hatte Gesprächsbereitschaft signalisiert.
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Dass CDU und CSU diese Gespräche nun abbrechen, ist bitter – und gefährlich. Denn Beispiele aus anderen Ländern wie Polen oder Israel beweisen hinlänglich, dass Rechtsaußenparteien nach der Übernahme von Regierungsverantwortung oft zuallererst die höchsten Gerichte attackieren, um etwaige Korrektive ihrer späteren Politik zu neutralisieren. Deshalb ist Vorsorge dringend geboten – und zwar naturgemäß rechtzeitig. Aus der Union verlautet, es gebe „derzeit keine zwingende Notwendigkeit“ für eine Korrektur. Nur: Wenn die Notwendigkeit besteht, dann ist es zu spät. Man muss den Deich festigen, bevor das Hochwasser kommt.
Überdies drückt sich in den bundesweiten Demonstrationen gegen das Erstarken des Rechtsextremismus eine Erwartungshaltung weiter Teile der Bevölkerung aus. Sie lautet: Tut was! Diesen kostbaren Augenblick dürfen die politisch Verantwortlichen nicht verpassen.
Unionsfraktionschef Friedrich Merz hat in der jüngsten Ukraine-Debatte des Bundestages die russische Menschenrechtlerin Irina Scherbakowa zitiert mit dem bemerkenswerten Satz: „Die Geschichte lehrt nicht, aber sie bestraft hart für nicht gemachte Hausaufgaben.“ Genau so ist es, Herr Merz.