Berlin. Die israelische Führung hat einen Angriff gestartet. Jetzt liegt es an den Mullahs, ob die Lage im Nahen Osten weiter eskaliert.

Israel hat offenbar nicht auf seine Partner gehört: Die Antwort auf den iranischen Luftangriff am Wochenende hat nicht lange auf sich warten lassen. Aus dem Iran, wo die Attacke auf Israel am vergangenen Samstag als eine Demütigung des „kleinen Satans Israel“ gefeiert worden war, kamen am frühen Morgen Berichte über Explosionen in der Gegend von Isfahan. Noch sind wenig Fakten bekannt. Handelt es sich nur um einen begrenzten Schlag – oder bedeuten die ersten Meldungen nur den Auftakt einer größeren Militäraktion? In Israel herrscht bisher Schweigen, was in solchen Situationen nicht ungewöhnlich ist.

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Die Angriffe in der Nähe der zentraliranischen Stadt mögen sich in Grenzen halten, die Ortswahl weckt jedoch Besorgnis: Dort liegt nicht nur eine wichtige Luftwaffenbasis, in der Nähe sollen sich auch Einrichtungen befinden, in denen die Mullas angeblich ihr Atomwaffenprogramm vorantreiben. Seit dem iranischen Raketenhagel waren sie als eine der möglichen Ziele für einen Vergeltungsschlag genannt worden. Um das Regime hart zu treffen, müsste er in diesem Fall nicht flächendeckend, sondern sehr präzise sein; die Anlagen befinden sich tief unter der Erde. Ein solcher Schlag wäre eine extreme Eskalation des schon jetzt brandgefährlichen Konflikts.

US-Präsident Joe Biden selbst soll Benjamin Netanjahu in der vergangenen Woche aufgefordert haben, mit der erfolgreichen Abwehr der iranischen Attacke zufrieden zu sein. Sie habe schließlich bewiesen, dass der Iran Israel nicht schaden könne. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock und ihr britischer Amtskollege David Cameron waren nach Israel geeilt, um Netanjahu aufzufordern, eine mögliche Vergeltung zu überdenken. Die Verbündeten hatten am Wochenende bewiesen, dass sie Israel nicht allein lassen – einschließlich Jordanien und mit saudischer Unterstützung. Ohne sie wäre der erste iranische Angriff von iranischem Boden nicht zu 99 Prozent gestoppt worden.

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Doch das hatte nicht zur Folge, dass Israels Freunde in Tel Aviv mehr Gehör fanden. Die israelische Entscheidung für den Gegenschlag war offenbar schon bald gefallen. Die USA waren laut dem amerikanischen Sender NBC News nicht beteiligt. Offenbar hatte Israel aber die USA am Donnerstag informiert, dass es in den nächsten ein bis zwei Tagen einen Angriff plane.

Mit der schnellen Reaktion macht die israelische Führung klar, dass sie nicht bereit ist, einen Angriff auf ihr Staatsgebiet tatenlos hinzunehmen. Israel stellt damit seine Abschreckung wieder her, die seit der Gründung des Staates in der Region überlebenswichtig war: Nach dem Terrorangriff der von Iran unterstützen Hamas am 7. Oktober auf den Süden des Landes hatte sie noch einmal an Bedeutung gewonnen, weil der Überfall die israelischen Geheimdienste überrascht hatte: Israel durfte und wollte kein weiteres Mal auch nur den Anschein von Schwäche erwecken.

Der Iran hatte am vergangenen Samstag zum ersten Mal von seinem Staatsgebiet einen Schwarm von mehr als 300 Drohnen und Raketen direkt in Richtung Israel in Marsch gesetzt. Israels begrenzter Gegenschlag ist zunächst ein warnender Fingerzeig, dass es im Iran jederzeit überall zuschlagen kann. Die Vergeltung der Vergeltung macht klar: Die Zeit der Stellvertreterkriege und der alte Schattenkrieg ist endgültig vorbei. Das erhöht die Spannungen in der Region gewaltig.

Auch wenn die iranische Führung den Angriff am Morgen zunächst als wenig dramatisch darstelle und den Luftverkehr wieder aufnahm: Die Lage im Nahen und Mittleren Osten ist kurz vor den hohen jüdischen Feiertagen so brisant wie selten zuvor. Doch noch besteht die Chance, dass es nicht zum Flächenbrand in der Region kommt. Der Iran spielt den Angriff derzeit herunter. Das ist ein kleiner Funken Hoffnung.

QOSHE - Israels Vergeltungsschlag im Iran ist brandgefährlich - Gudrun Büscher
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Israels Vergeltungsschlag im Iran ist brandgefährlich

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19.04.2024

Berlin. Die israelische Führung hat einen Angriff gestartet. Jetzt liegt es an den Mullahs, ob die Lage im Nahen Osten weiter eskaliert.

Israel hat offenbar nicht auf seine Partner gehört: Die Antwort auf den iranischen Luftangriff am Wochenende hat nicht lange auf sich warten lassen. Aus dem Iran, wo die Attacke auf Israel am vergangenen Samstag als eine Demütigung des „kleinen Satans Israel“ gefeiert worden war, kamen am frühen Morgen Berichte über Explosionen in der Gegend von Isfahan. Noch sind wenig Fakten bekannt. Handelt es sich nur um einen begrenzten Schlag – oder bedeuten die ersten Meldungen nur den Auftakt einer größeren Militäraktion? In Israel herrscht bisher Schweigen, was in solchen Situationen nicht ungewöhnlich ist.

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Die Angriffe in der Nähe der zentraliranischen Stadt mögen sich in Grenzen halten, die Ortswahl weckt jedoch Besorgnis: Dort liegt nicht nur eine........

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