»Die amerikanischen Universitäten sind längst verloren. Israelhass und Judenhass wachsen dort stetig. Passt bloß auf, das wird sich genau so in Deutschland entwickeln.« Diese Warnung der israelischen Politologin Petra Marquardt-Bigman im Jahre 2018 auf ihrem Balkon in Ramat Gan hielt ich für weit übertrieben. Schließlich bilden die Ivy-League-Unis die Eliten des Geistes aus, neidisch blickten manche von uns in die USA. Marquardt-Bigman sollte jedoch Recht behalten.

Es brodelt seit dem Massaker vom 7. Oktober nicht nur an vielen amerikanischen, sondern auch an deutschen Hochschulen. Besonders erschütternd: Am 13. November haben 100 Studentinnen und Studenten im Foyer der Universität der Künste in Berlin eine antisemitische Performance veranstaltet. Unter dem Motto »It´s not complicated« zeigten sie ihre roten Handinnenflächen.

Sie knüpften mit dieser Geste an den grausamen Lynchmord in Ramallah aus dem Jahr 2000: Der palästinensische Mörder zweier israelischer Reservisten streckte damals triumphierend seine blutigen Hände aus dem Fenster. Dazu beklagten die Studenten in Berlin den »Genozid am palästinensischen Volk«, erwähnten aber mit keinem Wort das Massaker der Hamas und palästinensischer Zivilisten aus Gaza an israelischen Babys, Frauen, Männern und Alten.

Am 13. November haben 100 Studentinnen und Studenten im Foyer der Universität der Künste eine antisemitische Performance veranstaltet.

Die Hochschulleitung reagierte zwei Wochen lang nicht. Dann erst, nach einem Bericht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, gelobte sie, derlei in Zukunft zu vermeiden. Der Rektor gab für den Fall der Fälle den jüdischen Studierenden seine Mobiltelefonnummer. Mit solchen Maßnahmen lässt sich ein struktureller Antisemitismus der angeblich künstlerischen Nachwuchs-Elite allerdings kaum bekämpfen.

Aus dem Universalanspruch einer der Aufklärung verpflichteten Hochschule ist ein Hort aktiv antisemitischer oder dem Judenhass gegenüber gleichgültigen Studenten und Lehrer geworden. Auf einer Kundgebung der Initiative »Fridays for Israel«, die freitags vor Hochschulen aufklärt, erschien in der Berliner Hardenbergstraße vor dem Konzertsaal gerade mal ein Dozent der UdK.

Ein Häufchen von knapp hundert Menschen hörte zu, als Ido Moran erzählte. Der Israeli studiert dort im 5. Semester Trompete. Er hat Familienmitglieder und Freunde beim Massaker verloren und berichtete, dass er sich in Berlin nicht mehr traut, an der Uni oder auf der Straße Hebräisch zu sprechen. So geht es vielen jüdischen Studenten. Sie fühlen sich ausgeschlossen und gemobbt und zudem in ihrer Trauer über ermordete Familienangehörige oder Freunde allein gelassen.

Ein israelischer Student berichtete, er traue sich an der Universität oder auf der Straße in Berlin nicht mehr, Hebräisch zu sprechen.

An den privat finanzierten amerikanischen Universitäten wächst mittlerweile der Unmut der Geldgeber, jüdische Mäzene ziehen wegen der antisemitischen Auswüchse ihre Spenden zurück. Es ist nicht auszudenken, welch ein Aufschrei durch die Szene ginge, wenn der Deutschland darüber nachdächte, seine Hochschulfinanzierung an einen zielführenden Kampf gegen Antisemitismus zu binden. Eine absurde Idee? Zumindest keine realistische, auch wenn sie durchaus pragmatische Vorteile böte. Beim Geld hört bekanntermaßen die Freundschaft auf.

Und beim Geist? Die FAZ berichtet via Wall Street Journal von einer kleinen Umfrage, die der Politikwissenschaftler Ron E. Hassner aus Berkeley mit 250 Studenten gemacht hat. 85 Prozent von ihnen bejahten die Parole »From the river to the sea, Palestine will be free«. Welcher Fluss und welches Meer gemeint seien, wollte Hassner wissen.

Einige antworteten, beim Fluss handle es sich um den Nil. Andere vermuteten den Euphrat. Das Meer sei die Karibik. Oder der Atlantik. (Es ist zu fürchten, dass bei deutschen palästinensischen Aktivisten die Antworten ähnlich faktenfrei ausfallen.) Die warnende Politologin Marquardt-Bigman hatte Recht. Dieser Teil der akademischen Elite ist verloren. Bigman ist nach kurzer Krankheit verstorben. Sie hätte keinen Triumph gefühlt, weil sich ihre Vorhersagen zum Antisemitismus an Hochschulen bewahrheitet haben.

QOSHE - Die roten Hände - Ayala Goldmann
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Die roten Hände

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11.12.2023

»Die amerikanischen Universitäten sind längst verloren. Israelhass und Judenhass wachsen dort stetig. Passt bloß auf, das wird sich genau so in Deutschland entwickeln.« Diese Warnung der israelischen Politologin Petra Marquardt-Bigman im Jahre 2018 auf ihrem Balkon in Ramat Gan hielt ich für weit übertrieben. Schließlich bilden die Ivy-League-Unis die Eliten des Geistes aus, neidisch blickten manche von uns in die USA. Marquardt-Bigman sollte jedoch Recht behalten.

Es brodelt seit dem Massaker vom 7. Oktober nicht nur an vielen amerikanischen, sondern auch an deutschen Hochschulen. Besonders erschütternd: Am 13. November haben 100 Studentinnen und Studenten im Foyer der Universität der Künste in Berlin eine antisemitische Performance veranstaltet. Unter dem Motto »It´s not complicated« zeigten sie ihre roten Handinnenflächen.

Sie knüpften mit dieser Geste an den grausamen Lynchmord in Ramallah aus dem Jahr 2000: Der palästinensische Mörder zweier israelischer Reservisten streckte damals triumphierend seine blutigen Hände aus........

© Juedische Allgemeine


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