Es klingt nach einem Plan: 100 Jahre nach Gründung des ersten sächsischen Landesverbandes der jüdischen Gemeinden möchte der Freistaat Sachsen 2026 ein landesweites »Jahr der jüdischen Kultur« begehen. Unter dem Titel »Tacheles« und dem Motto »Jüdisch – Sächsisch – Mentshlich« soll mit Projekten, Veranstaltungen und Ausstellungen in ganz Sachsen ein Jahr lang die reichhaltige jüdische Kultur und Geschichte in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des Landes, aber auch die unwiederbringlichen Verluste sichtbar und einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.

»Die jüdische Gemeinschaft in Sachsen bringt sich sehr gern in die Vorbereitung und Durchführung des ›Jahres jüdischer Kultur in Sachsen‹ ein«, betont Nora Goldenbogen. »Wir sind der Meinung, dass gerade in diesen politisch unruhigen Zeiten mit dem Themenjahr 2026 eine wunderbare Möglichkeit besteht, jüdische Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft im Freistaat Sachsen mit vielfältigsten künstlerischen Mitteln darzustellen«, ergänzt die Vorsitzende des Landesverbandes Sachsen der Jüdischen Gemeinden weiter.

Die Selbstverständlichkeit jüdischer Stimmen sollte stärker zum Ausdruck kommen.

Besonders wichtig sei es vor diesem Hintergrund auch, dass alle sächsischen Regionen, also nicht nur die großen Städte, einbezogen werden. Auf diese Weise möchte man jüdischen Perspektiven einen im wahrsten Sinne des Wortes großen Raum geben.

Das aus dem Jiddischen beziehungsweise Hebräischen stammende Wort »Tacheles« stehe in diesem Zusammenhang für die freie Meinung und das daraus resultierende offene Gespräch sowie den Diskurs, also kurzum den Dialog auf Augenhöhe, heißt es dazu in der Pressemitteilung.

Im Programm des Themenjahres soll ebenso das Selbstbewusstsein und die Selbstverständlichkeit jüdischer Stimmen und ihre Perspektiven in Sachsen zum Ausdruck kommen. Auf diese Weise hofft man, sich menschlich, gesellschaftlich und kulturell – historisch und gegenwärtig – mehr Gehör und Sichtbarkeit zu verschaffen. Last but not least bedeutet Tacheles aber auch Freiheit – und damit Verantwortung. Oder anders ausgedrückt: keine Meinungsbildung ohne entsprechende Bildung – auch dafür steht das Themenjahr.

»Mit Tacheles greifen wir die insbesondere in Dresden und Leipzig geführten Debatten über die museale Repräsentanz jüdischer Geschichte und Kultur auf«, erklärt Barbara Klepsch. »In der Diskussion darüber, wie wir dieses jüdische Sachsen präsentieren wollen, stellte sich schnell heraus: Ein dynamisches, Regionen übergreifendes Format ist besser als ein statischer Ort«, so die Sächsische Staatsministerin für Kultur und Tourismus.

»Daher wollen wir zum ersten Mal ein landesweites Themenjahr für ganz Sachsen gestalten. Gerade nach den Ereignissen des 7. Oktober sind eine klare Haltung und die Solidarität mit der jüdischen Gemeinschaft zentral. Unter dem Motto ›Jüdisch – Sächsisch – Mentshlich‹ wollen wir nicht nur die vielen und faszinierenden historischen Zeugnisse sichtbar machen, sondern insbesondere ein Forum bieten für Begegnungen und Austausch mit der jüdischen Kultur in Sachsen und ihren Vertreterinnen und Vertretern.«

Ziel des Themenjahres ist es, jüdische Kultur und Geschichte als selbstverständlichen Teil der Kultur und Geschichte Sachsens zu sehen und zu verstehen. Darüber hinaus soll eine umfassende und zugleich kritische Bestandsaufnahme des Umgangs mit dem kulturellen und historischen jüdischen Erbe Sachsens ermöglicht werden, um auch dem bereits Vorhandenen eine größere Sichtbarkeit und Aufmerksamkeit zu verleihen. Unter aktiver Einbeziehung jüdischer Stimmen und Perspektiven werden aber auch neue Zugänge, Repräsentationsformen und Vermittlungsangebote in das Programm aufgenommen.

Das Themenjahr soll sich in allen Bereichen der Kultur widerspiegeln, und zwar in Museen, Theatern und Kinos sowie in wissenschaftlichen, bildenden und kirchlichen Einrichtungen, aber auch in Vereinen, Initiativen und gesellschaftlichen Initiativen im Freistaat. Es möchte die Begegnung und den Austausch zwischen der jüdischen Gemeinschaft und der Mehrheitsgesellschaft Sachsens fördern und zugleich das Wissen über und das Verständnis für jüdisches Leben, jüdische Kultur, Tradition und Religion erweitern.

Eine im Kontext des Themenjahres entstehende digitale Plattform soll neben allen Veranstaltungen auch sämtliche Projekte mit ihren Akteurinnen und Akteuren repräsentieren und über 2026 hinaus nachhaltig vernetzen.

Dabei orientiert man sich in der Programmplanung am jüdischen Feiertagskalender, beginnend mit Chanukka 5786, also am 14. Dezember 2025. Das Projektteam des Themenjahres ist am Staatlichen Museum für Archäologie Chemnitz (smac) unter der Museumsleitung von Sabine Wolfram im früheren Schocken-Kaufhaus angesiedelt und hat damit seinen Sitz an einem zentralen Ort jüdisch-sächsischer Geschichte.

In der Programmplanung orientiert man sich am jüdischen Feiertagskalender.

Die Projektleitung hat die Leipziger Kulturwissenschaftlerin Anja Lippe übernommen. Als Sprecherin konnten die Verlegerin und Publizistin Nora Pester und als künstlerischer Berater Küf Kaufmann, Vorsitzender der Israelitischen Religionsgemeinde zu Leipzig, gewonnen werden. »Anspruch, Ziel und Glaubwürdigkeit dieses Themenjahres werden sich daran messen lassen, dass es uns gelingt, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft vor allem aus jüdischen Perspektiven zu erzählen, dabei auch Ambivalenzen und Konflikte nicht auszublenden und zu zeigen, wie Antisemitismus unsere demokratische Ordnung bedroht«, bringt es Pester auf den Punkt.

Das Themenjahr wird vom Freistaat Sachsen unter Federführung des Sächsischen Staatsministeriums für Wissenschaft, Kultur und Tourismus (SMWK) getragen und von einem prominent besetzten Kuratorium unter der Leitung von Nora Goldenbogen und Barbara Ludwig, der ehemaligen Oberbürgermeisterin der Stadt Chemnitz, fachlich beraten und unterstützt. Ein Förderprogramm für Projekte im Rahmen des Themenjahres wird bei der Kulturstiftung des Freistaates Sachsen aufgelegt. ja

QOSHE - »Jüdisch – Sächsisch – Mentshlich« - Bettina Piper
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»Jüdisch – Sächsisch – Mentshlich«

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21.03.2024

Es klingt nach einem Plan: 100 Jahre nach Gründung des ersten sächsischen Landesverbandes der jüdischen Gemeinden möchte der Freistaat Sachsen 2026 ein landesweites »Jahr der jüdischen Kultur« begehen. Unter dem Titel »Tacheles« und dem Motto »Jüdisch – Sächsisch – Mentshlich« soll mit Projekten, Veranstaltungen und Ausstellungen in ganz Sachsen ein Jahr lang die reichhaltige jüdische Kultur und Geschichte in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des Landes, aber auch die unwiederbringlichen Verluste sichtbar und einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.

»Die jüdische Gemeinschaft in Sachsen bringt sich sehr gern in die Vorbereitung und Durchführung des ›Jahres jüdischer Kultur in Sachsen‹ ein«, betont Nora Goldenbogen. »Wir sind der Meinung, dass gerade in diesen politisch unruhigen Zeiten mit dem Themenjahr 2026 eine wunderbare Möglichkeit besteht, jüdische Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft im Freistaat Sachsen mit vielfältigsten künstlerischen Mitteln darzustellen«, ergänzt die Vorsitzende des Landesverbandes Sachsen der Jüdischen Gemeinden weiter.

Die Selbstverständlichkeit jüdischer Stimmen sollte stärker zum Ausdruck kommen.

Besonders wichtig sei es vor diesem Hintergrund auch, dass alle sächsischen Regionen, also nicht nur die großen Städte, einbezogen werden. Auf diese Weise möchte man jüdischen Perspektiven einen im wahrsten Sinne des Wortes großen Raum geben.

Das aus dem Jiddischen beziehungsweise Hebräischen stammende Wort »Tacheles«........

© Juedische Allgemeine


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