Der Nachrichtenkonsum ist für Israelis mittlerweile zu einer Herausforderung geworden. Erst wurde man fast stündlich mit immer neuen Meldungen konfrontiert, dass ein Angriff des Iran unmittelbar bevorstehe. Und nachdem dieser erfolgreich abgewehrt werden konnte, fragen sich nun alle, wie heftig die Reaktion Israels ausfallen werde. Und was das nach sich ziehen könnte.

Teheran ging es bei seinem beispiellosen Drohnen- und Raketenbeschuss in der Nacht zum Sonntag erst einmal um Rache, und zwar für die gezielte Tötung von Mohammad Reza Zahedi, Brigadegeneral der iranischen Revolutionsgarden, am 1. April in Damaskus. Zur Erinnerung: Als bestens vernetzte Person im iranischen Sicherheitsapparat zeichnete Zahedi für zahlreiche Terror-Operationen der Mullahs in der Region ebenso verantwortlich wie für die Versorgung der Hisbollah mit Waffen. Zudem saß er als einziges nicht libanesisches Mitglied im Schura-Rat, dem Politbüro der schiitischen Terrororganisation.

»Sein Tod hat eine einzigartige Lücke hinterlassen, die die iranische Führung nicht so leicht füllen kann, zumal bei dem israelischen Luftangriff auch seine ranghohen Stellvertreter getötet wurden«, lautet dazu die Einschätzung von Nicholas Carl, Iran-Analyst des Thinktanks »American Enterprise Institute« in Washington. Wenn sich die Gelegenheit ergibt, eine derart wichtige Schlüsselfigur auszuschalten, dann macht man das auch, heißt es ebenfalls aus israelischen Sicherheitskreisen – schließlich wird man vom Iran an gleich mehreren Fronten herausgefordert.

Doch hinter der gezielten Tötung steckt auch etwas anderes, glaubt Yossi Kuperwasser. »Es sieht vielmehr so aus, als ob Israel den Mullahs in Teheran auf diese Weise eine abschreckende Botschaft übermitteln wollte«, sagte der ehemalige Leiter der Forschungsabteilung des militärischen Geheimdienstes dem Nachrichtenportal »Ynet«.

»Ein regionales Bündnis ist wichtiger als eine Antwort auf den iranischen Angriff.«

In der Tat hatte das Abschreckungs­potenzial Israels durch den 7. Oktober stark gelitten, weshalb die seither militärisch und technisch perfekt durchgeführten gezielten Tötungen von hochrangigen Hamas-Funktionären in Beirut oder iranischen Revolutionsgarden-Anführern in Damaskus mit dazu beitragen sollten, genau dieses wiederherzustellen.

Nur lautet die Frage, ob man sich dabei nicht verkalkuliert hat. Bereits früher hatten gezielte Tötungen von Personen, an deren Händen viel israelisches Blut klebte, zu Ergebnissen geführt, die man gewiss so nicht wollte – erinnert sei nur an Yahya Ayyash, aufgrund seiner Expertise als Bombenbauer der Hamas auch »Ingenieur« genannt, dem der Inlandsgeheimdienst Schin Bet 1996 ein mit Sprengstoff präpariertes Handy zuspielte, das dann explodierte und ihn tötete. Daraufhin setzte eine verheerende Serie von Selbstmordanschlägen ein, 78 Israelis kamen ums Leben.

Die Entscheider in Politik und Militär haben wohl auch im Fall Zahedi einfach zu stark darauf gesetzt, dass es wie nach den gezielten Tötungen der vergangenen Monate bei verbalen Drohungen bleiben werde und die Mullahs einer direkten Konfrontation aus dem Weg gehen.
»Dieses Mal hat Teheran aber große Anstrengungen unternommen, um deutlich zu machen, dass eine rote Linie überschritten wurde und man nun beabsichtige, die Samthandschuhe auszuziehen«, betonte Amos Harel, Sicherheitsexperte der Tageszeitung »Haaretz«.

Genau das ist geschehen. Zugleich ist der Angriff mit mehr als 300 Drohnen und Raketen eine Zäsur. »Das radikal Neue zeigt sich darin, dass die Islamische Republik zum ersten Mal selbst einen direkten Angriff wagte«, sagt Matti Friedman. »Ob dieser Angriff ein Geniestreich oder Fehler des Iran war, wird sich noch herausstellen«, so der Journalist und Buchautor in »The Free Press«. »Aber schon jetzt ist klar, dass sie den Beobachtern einen Gefallen getan haben, indem sie aus dem Schatten herausgetreten sind, um jeden Zweifel darüber auszuräumen, worum es in diesem Krieg geht und wer ihn eigentlich führt.«

Denn die Auseinandersetzungen zwischen Israel und den Palästinensern sind schon lange nicht mehr der eigentliche Kern des Konflikts, so Friedman weiter. Vielmehr – und das haben die Interventionen von Jordanien, aber auch von Saudi-Arabien zugunsten Israels in der Nacht vom 13. auf den 14. April demonstriert – verlaufen die Linien zwischen dem schiitischen Iran mitsamt seinen Marionetten sowie den sunnitischen Staaten und dem Westen. Oder anders formuliert: Die Expansionsbestrebungen der Mullahs haben in Riad, am Golf, aber ebenfalls in Amman allerhöchste Priorität, weshalb man trotz des Krieges im Gazastreifen bereit war, mit Israel zu kooperieren.

Bis dato hatte der Iran es vorgezogen, bis zum letzten Palästinenser, letzten Libanesen oder letzten Jemeniten zu kämpfen und selbst nur im Hintergrund zu agieren. Damit scheint es nun vorbei zu sein. Für Israel ergeben sich damit völlig neue Chancen einer militärischen Zusammenarbeit mit Partnern in der Region. Das sollte in den israelischen Überlegungen, wie man auf die Bombennacht reagiert, absolute Priorität haben, sagte Menahem Merhavy, Konfliktforscher an der Hebräischen Universität Jerusalem, der »Times of Israel«. »Dieses regionale Bündnis ist wichtiger als eine Antwort auf den iranischen Angriff, und wir sollten es auf keinen Fall gefährden.«

QOSHE - Das Ende des Schattenkrieges - Bettina Piper
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Das Ende des Schattenkrieges

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18.04.2024

Der Nachrichtenkonsum ist für Israelis mittlerweile zu einer Herausforderung geworden. Erst wurde man fast stündlich mit immer neuen Meldungen konfrontiert, dass ein Angriff des Iran unmittelbar bevorstehe. Und nachdem dieser erfolgreich abgewehrt werden konnte, fragen sich nun alle, wie heftig die Reaktion Israels ausfallen werde. Und was das nach sich ziehen könnte.

Teheran ging es bei seinem beispiellosen Drohnen- und Raketenbeschuss in der Nacht zum Sonntag erst einmal um Rache, und zwar für die gezielte Tötung von Mohammad Reza Zahedi, Brigadegeneral der iranischen Revolutionsgarden, am 1. April in Damaskus. Zur Erinnerung: Als bestens vernetzte Person im iranischen Sicherheitsapparat zeichnete Zahedi für zahlreiche Terror-Operationen der Mullahs in der Region ebenso verantwortlich wie für die Versorgung der Hisbollah mit Waffen. Zudem saß er als einziges nicht libanesisches Mitglied im Schura-Rat, dem Politbüro der schiitischen Terrororganisation.

»Sein Tod hat eine einzigartige Lücke hinterlassen, die die iranische Führung nicht so leicht füllen kann, zumal bei dem israelischen Luftangriff auch seine ranghohen Stellvertreter getötet wurden«, lautet dazu die Einschätzung von Nicholas Carl, Iran-Analyst des Thinktanks »American Enterprise Institute« in Washington. Wenn sich die Gelegenheit ergibt, eine........

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