Freundlich und offen, einfach im Umgang, liebenswert, besonnen und verständnisvoll, genau und zielgerichtet: Rückblickend schwärmte der sowjetische Arabist Wladimir Kiseljow 2007 von seinem einstigen palästinensischen Doktoranden Mahmud Abbas. Ihre Wege hatten sich im Frühjahr 1980 in Moskau gekreuzt - Kiseljow leitete damals die für Israel und Palästina zuständige Abteilung des KGB-nahen akademischen Instituts für Orientstudien.

Das vom Journalisten und Diplomaten, später russischem Außenminister und Ministerpräsidenten, Jewgeni Primakow geführte Institut war federführend im Bereich des »wissenschaftlichen Antizionismus« in der UdSSR. Der Jurist Abbas, bereits Spitzenfunktionär der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) und Jassir Arafats Kronprinz, kam aus Damaskus, um sein Promotionsstudium in Geschichte zu absolvieren.

Knapp zwei Jahre später stand das Ergebnis ihrer Zusammenarbeit fest: Im April 1982 wurde Abbas mit einer Dissertation über »Verbindungen zwischen Zionismus und Nationalsozialismus (1933 bis 1945«) promoviert.

In seiner Arbeit griff der Verfasser abstruse antisemitische Verschwörungstheorien auf und stellte die zionistische Bewegung als Handlanger des »Dritten Reiches« dar: Die »Zionisten« galten als »Kriegsverbrecher«, die – auf wirtschaftliche Vorteile und die Errichtung des »Kolonialregimes« im Mandatsgebiet Palästina bedacht – schon 1933 Kontakte mit Berlin geknüpft und sich von der antisemitischen Politik der Naziführung die Massenauswanderung von Juden aus Deutschland und Europa erhofft hätten.

Bei ihren Ansiedlungsplänen in Palästina hätten sie zudem auf die Unterstützung »britischer Imperialisten« gesetzt. Auch im Zweiten Weltkrieg blieb die perfide »zionistisch-nationalsozialistische Allianz« intakt, wobei die »Zionisten« – etwa als Anführer von Judenräten in osteuropäischen Ghettos – bei der Verfolgung und Vernichtung jüdischer Menschen mitwirkten. Der Zweite Weltkrieg und der Holocaust seien somit von den »Zionisten« missbraucht werden, um ihre Vorherrschaft in Palästina zu untermauern.

Doktorvater Kiselew gab 2007 stolz zum Protokoll, Abbas habe sich für Moskau entschieden, obwohl er sein Promotionsstudium gleichwohl an der Sorbonne oder in Cambridge hätte absolvieren können. Wäre eine derartige antisemitische »Studie« aber dort zugelassen worden? Wohl nicht!

In Moskau hatte der Doktorand aus Palästina hingegen ein leichtes Spiel: Seine Grundthese über die Zionisten als Nazi-Kollaborateure war in der Sowjetunion bereits in den 1960er Jahren verbreitet und wurde sporadisch in der dortigen antiisraelischen, stark antisemitisch gefärbten Propaganda aufgegriffen. Als einflussreicher PLO-Funktionär mit einer großen politischen Zukunft war Abbas in der Sowjetunion ohnehin willkommen und als Hoffnungsträger wahrgenommen.

Das sowjetische Kalkül ging tatsächlich auf: Mahmud Abbas beerbte Jassir Arafat, steht seit 2005 an der Spitze der Palästinensischen Autonomie und profiliert sich als Russlands treuer Freund. Obschon Abbas als im Westen anerkannter Staatsmann vorsichtiger agieren muss, gehören antisemitische Entgleisungen und Holocaust-Relativierungen seit Jahrzehnten fest zu seinem Repertoire.

Noch in seiner 1984 auf Arabisch erschienen Abhandlung rekurrierte er auf das »zionistisch-nationalsozialistische Komplott«, stellte die Existenz der Gaskammer in Frage und bezifferte die Holocaustopfer auf weniger als eine Million. Unvergessen auch sein Auftritt unlängst an der Seite von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD).

Und die brisante Moskauer Dissertation selbst? Dem Institut für Orientstudien und seinem Direktor Primakow erschien sie offensichtlich zu heikel und wurde nicht veröffentlicht. Mit dem Vermerk »Für Dienstgebrauch« versehen, blieb sie jahrzehntelang im Archiv des Instituts unter Verschluss. Weder Abbas noch der Kreml waren an ihrer Freigabe interessiert.

Jedoch gab das noch 1982 erschienene Autoreferat einen Überblick über den Inhalt der Arbeit, die von handwerklichen Fehlern, Verzerrungen und offenen Manipulationen strotzt.

Nun verfügt die israelische Zeitung »Israel Hayom« über die gesamte Abhandlung, die dem breiten Publikum vorgestellt wird. Den im Westen ohnehin ramponierten Ruf des inzwischen 88-jährigen Abbas wird sie kaum verschlechtern. Sie wird jedoch erneut auf den sowjetischen Staats-Antisemitismus verweisen, deren Narrative den Untergang der UdSSR überstanden haben und von Moskau inzwischen wieder genutzt werden.

Der Autor ist Historiker und Experte für die Geschichte der Juden in Osteuropa.

QOSHE - Judenhass und Holocaust-Leugnung pur: Das steht in der Promotion von Mahmud Abbas - Philipp Peyman Engel
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Judenhass und Holocaust-Leugnung pur: Das steht in der Promotion von Mahmud Abbas

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12.04.2024

Freundlich und offen, einfach im Umgang, liebenswert, besonnen und verständnisvoll, genau und zielgerichtet: Rückblickend schwärmte der sowjetische Arabist Wladimir Kiseljow 2007 von seinem einstigen palästinensischen Doktoranden Mahmud Abbas. Ihre Wege hatten sich im Frühjahr 1980 in Moskau gekreuzt - Kiseljow leitete damals die für Israel und Palästina zuständige Abteilung des KGB-nahen akademischen Instituts für Orientstudien.

Das vom Journalisten und Diplomaten, später russischem Außenminister und Ministerpräsidenten, Jewgeni Primakow geführte Institut war federführend im Bereich des »wissenschaftlichen Antizionismus« in der UdSSR. Der Jurist Abbas, bereits Spitzenfunktionär der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) und Jassir Arafats Kronprinz, kam aus Damaskus, um sein Promotionsstudium in Geschichte zu absolvieren.

Knapp zwei Jahre später stand das Ergebnis ihrer Zusammenarbeit fest: Im April 1982 wurde Abbas mit einer Dissertation über »Verbindungen zwischen Zionismus und Nationalsozialismus (1933 bis 1945«) promoviert.

In seiner Arbeit griff der Verfasser abstruse antisemitische Verschwörungstheorien........

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