Esther, 16, und Natali,14, von Amichai Frankfurt stehen am Ende des Saales kurz vor den Toiletten und proben ihren Song. »Weil der Sound hier besser ist.« Sie hätten deswegen auch schon auf der Toilette geübt, aber da sei es jetzt zu voll, weil sich alle schminken.

Dass Esther und Natali konzentriert ihren Song singen können, während auf der Bühne full power geprobt wird, ist ziemlich beeindruckend. »Das kann man üben«, sagt Esther gelassen. Man dürfe sich auf keinen Fall von anderen Juzes beeinflussen lassen. Gestern sei sie richtig aufgeregt gewesen, sagt Natali, »aber nach dem Soundcheck ist es wie eine Last von mir abgefallen. Ich fühle mich jetzt wohl hier!«

Die Tür zum Vorraum der Damentoilette geht kaum auf, so dicht drängen sich die Sängerinnen und Tänzerinnen vor den Spiegeln. »Das Licht ist hier besser als Backstage«, sagt Alina, 12, von We.Zair Westfalia, während ihr Michelle, 16, den Highlighter aufträgt. Natürlich sei sie aufgeregt. »Alle sagen, man soll sich aufs Ein- und Ausatmen konzentrieren. Das funktioniert aber nicht.«

Am Spiegel gegenüber werden gerade gekonnt Wimpernzangen angesetzt und Kajalstriche gezogen. Woher sie das können? »Von Youtube und TikTok«, sagt Maya, 12, die gar nicht nervös ist. »Je näher der Abend, desto geringer die Aufregung«, bestätigen ihre Freundinnen Lea und Sofia, beide 14. »Und sobald man auf der Bühne steht, ist sie ganz weg!«

Sofia pudert und blended den Lidschatten. »Ich will nicht, dass es endet«, sagt sie, während sie ihr Werk im Spiegel fixiert. »Ich genieße dieses Familiengefühl so sehr! Ich fand schon das Bootcamp super.« Beim Jewrovision gehe es darum, »dass wir sehen, wie groß wird sind. 1200 Jugendliche!« Sie habe im vergangenen Jahr in Maya eine Freundin fürs Leben gefunden. Auf der Aftershow-Party. »Jetzt Haare! Hat jemand Schaumfestiger oder Haarspray?« Die Kostüme gibt es noch nicht zu sehen, damit eine Überraschung bleibt.

Gibt es auch jemanden, der sich nicht schminken will? Madricha Sarah lacht, die Hände voll mit Pinseln und anderen notwendigen Utensilien: »ALLE wollen sich schminken!«

Vor dem Backstagebereich von Olam Berlin werden Tränen vergossen. Aber keine Sorge, es seien Tränen des Glücks, sagt Madrich Alex. »Wir haben so lange und so hart auf den Jewrovision hingearbeitet«, sagt der 19-Jährige. »Wir haben alles selbst gemacht: Komposition, Text, Choreografie.« Seit Januar hätten sie immer nach der Hawdala und am Juze-Morgen geübt. »Und jetzt sind es Endorphine pur!«

Berlin hatte zuletzt eine Siegesreihe, nun seien die anderen dran. »Die ganzen kleinen Gemeinden sind so krass dieses Jahr! Die sollen auch gewinnen! Wir müssen nicht gewinnen, um zu wissen, dass wir Gewinner sind.«

Backstage sind fast nur noch Jungs. Nikita, 12, von We.Zair kommt von der Jungstoilette zurück. Die sei fast leer, denn »Jungs schminken sich nicht«.

Am anderen Ende der Halle erleuchtet Pyrotechnik die Bühne. »Diaspora. Wir sind gekommen, um zu bleiben«, rappen die Jugendlichen. »Spürst du diese Wärme, siehst du diese Sterne. Entfache das Feuer in dir!«

Die Generalprobe ist längst selbst zur Party geworden. Aber die Erfahrung zeigt: Mehr ist möglich!

QOSHE - Tränen des Glücks - Sophie Albers Ben Chamo
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Tränen des Glücks

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31.03.2024

Esther, 16, und Natali,14, von Amichai Frankfurt stehen am Ende des Saales kurz vor den Toiletten und proben ihren Song. »Weil der Sound hier besser ist.« Sie hätten deswegen auch schon auf der Toilette geübt, aber da sei es jetzt zu voll, weil sich alle schminken.

Dass Esther und Natali konzentriert ihren Song singen können, während auf der Bühne full power geprobt wird, ist ziemlich beeindruckend. »Das kann man üben«, sagt Esther gelassen. Man dürfe sich auf keinen Fall von anderen Juzes beeinflussen lassen. Gestern sei sie richtig aufgeregt gewesen, sagt Natali, »aber nach dem Soundcheck ist es wie eine Last von mir abgefallen. Ich fühle mich jetzt wohl hier!«

Die Tür zum Vorraum der Damentoilette geht kaum auf, so dicht drängen sich die Sängerinnen und Tänzerinnen vor den........

© Juedische Allgemeine


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