Jens Kalaene/dpa

In diesem Gästehaus in Potsdam trafen sich Neonazis und Unternehmer im November

Das Treffen von ausgewiesenen Faschisten wie dem Österreicher Martin Sellner, neonazistischen AfD-Unschuldslämmern und zahlungskräftigen deutschen Unternehmern wirft verschiedene Fragen auf. Da ist zunächst die regierungsfinanzierte Nichtregierungsorganisation »Correctiv«, die am Mittwoch über den Abend in der Villa Adlon am 25. November 2023 berichtete und in den linksliberalen Medien Aufregung auslöste. Die steigerten sich bis zu »Wannseekonferenz« und »Konzentrationslager Oranienburg-Sachsenhausen«. So laut, so verharmlosend.

Der personelle und materielle Aufwand, den »Correctiv« für Aufnahmen aus und in der Immobilie – einschließlich Floß plus mehreren fotografierenden Flößern – betreiben konnte, erinnert an die »bsoffne G’schicht«, die 2019 auf einem Video in einem Haus auf Ibiza festgehalten wurde und einen Vizekanzler in Wien wegsprengte. In Potsdam fehlte nur die russische Oligarchennichte – oder vielleicht nicht ganz: Die Gastgeberin verwendet, wie die Zeit am 20. Dezember berichtete, gern ihre zwei Vornamen wechselweise, etwa wenn sie in Sachsen eine Burg kauft. Sie hat ihre reichlichen Bezüge im Netz zu AfD und anderem Kram für Nazis fast gelöscht, beherbergt in ihrem Gasthaus, das zu DDR-Zeiten eine solide Kinderklinik war, mal jede Menge Faschistenfußvolk, mal die Neonazigroßstrategen Kubitschek oder Elsässer sowie als Dauerpensionär einen dänischen Rassisten, der Spinnereien über Eugenik und Legalisierung von Kinderpornographie ablässt. Die Mischung besagt: Ibiza ist doch Potsdam oder umgekehrt. Passt jedenfalls zu Döpfner, Friede Springer, den Garnisonkirchenfans oder Jauch, der die Stadt aufkauft, um die »sozialistische Notdurftarchitektur« zu schleifen.

Sie alle kennen, wie die Gastwirtin und die AfD-Teilnehmer, keine Nazis. Die AfD will sich ihre Umfragewerte nicht kaputtmachen, nur Redner Sellner steht zur »Remigration«. Soviel Aufmerksamkeit für ihn gab es lange nicht, obwohl Deportationsphantasien zum AfD-Standard gehören. Sellner hat recht: Die Unterschiede sind nicht groß, wenn der Kanzler »Abschiebung in großem Stil« ankündigt, die Innenministerin »Clan«-Mitglieder auch ohne Straftat irgendwohin schicken will – womöglich in eins der Lager, die in Nicht-EU-Staaten jetzt errichtet werden sollen. Wer ungerührt Zehntausende im Mittelmeer ertrinken lässt, hat mit Antasten der Menschenwürde kein Problem. Da setzt der Faschist nur eins drauf.

Das besagt: Die AfD und speziell ihr Faschistenklientel können vor Kraft kaum laufen. Die Koalitionsparteien und CDU/CSU helfen nach. Dennoch gilt in Abwandlung der Satz Max Reimanns (KPD) aus dem Jahr 1948: Antifaschisten müssen diese parlamentarische Republik gegen deren Zerstörer, die sich an der Spitze der reaktionären Revolte sehen, verteidigen. Auch wenn’s schwerfällt: notfalls mit den »Erntehelfern« der Neonazis.

QOSHE - Nazis und ihre Helfer - Arnold Schölzel
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Nazis und ihre Helfer

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11.01.2024

Jens Kalaene/dpa

In diesem Gästehaus in Potsdam trafen sich Neonazis und Unternehmer im November

Das Treffen von ausgewiesenen Faschisten wie dem Österreicher Martin Sellner, neonazistischen AfD-Unschuldslämmern und zahlungskräftigen deutschen Unternehmern wirft verschiedene Fragen auf. Da ist zunächst die regierungsfinanzierte Nichtregierungsorganisation »Correctiv«, die am Mittwoch über den Abend in der Villa Adlon am 25. November 2023 berichtete und in den linksliberalen Medien Aufregung auslöste. Die steigerten sich bis zu »Wannseekonferenz« und »Konzentrationslager Oranienburg-Sachsenhausen«. So laut, so verharmlosend.

Der personelle und materielle Aufwand, den »Correctiv« für Aufnahmen aus und in der........

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