Carlo Allegri/REUTERS

Wollte eigentlich Sänger werden: James Blunt

Pythagoras, sagt man, riet davon ab, Hunde zu treten. In jedem streunenden Köter könne schließlich die eigene Großmutter wiedererstanden sein. Wer keine Tiere liebt, sagt man auch, liebt keine Menschen. Vermutlich stimmt das. Also letzteres. Aus der unmittelbar menschlichen Empfindung allerdings kann nichts von Belang folgen. Tierliebe ist nicht abendfüllend. Wer aus ihr eine Weltanschauung macht, hat in der Regel ein anderes Ding am Laufen.

Mit Menschen zum Beispiel. Der Musikant James Blunt tickt so, wie er unlängst der dpa verriet. Er verzweifle an der Menschheit. »Wir denken nur an unsere eigenen Interessen und an niemanden sonst. Wir sind verdammt.« Verdammt was? Selbstlos, egoistisch, verblödet? Und dann präsentiert der Pythagoräer James überraschend blunt seine Lösung: »Ich hoffe, in meinem nächsten Leben komme ich als Ameise zur Welt. Die arbeiten zumindest als Team zusammen und passen aufeinander auf.«

Nun neigen Ameisen zu einem gerade nicht: Achtsamkeit. Liegt eine von ihnen halb tot am Rande des Haufens, ziehen tausende ihrer sechsbeinigen Mitbürgerinnen teilnahmslos vorbei und verrichten weiter, wozu Gott (oder Leibniz) sie programmiert hat. Alles fürs Bruttosozialprodukt. Sie lieben sich nicht sich selbst und deswegen auch keinen der ihren. Was aber ist das Ganze wert, wenn es nicht für einen selbst ist? Und was das Eigene, wenn nicht auch für einen anderen? Ist nicht recht eigentlich diese Verameisung der Menschheit längst erreicht – in jenem Zustand nämlich, den der Sänger beklagt. Fragen, die wir uns ohne ihn nicht stellen müssten. Danke, James.

Was rumkommen darf dabei aber schon. Wie Künstler pflegen, wird er den Weltschmerz, so behämmert er auch begründet scheint, in Kunst umsetzen. Und vielleicht Bob Dylan covern: The Ants are my friends, they’re blowin’ in the wind …

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Insekt des Tages: James Blunt

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29.11.2023

Carlo Allegri/REUTERS

Wollte eigentlich Sänger werden: James Blunt

Pythagoras, sagt man, riet davon ab, Hunde zu treten. In jedem streunenden Köter könne schließlich die eigene Großmutter wiedererstanden sein. Wer keine Tiere liebt, sagt man auch, liebt keine Menschen. Vermutlich stimmt das. Also letzteres. Aus der unmittelbar menschlichen Empfindung allerdings kann nichts von Belang folgen. Tierliebe ist nicht abendfüllend. Wer aus ihr eine Weltanschauung macht,........

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