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3.000 Jahre Warten hat sich gelohnt: Leverkusen ist Meister

Elfmal Bayern, jetzt Bayer. Etwas origineller hätte der Fußballgott sich schon zeigen dürfen. Bis zum Wochenende hatte das Vermächtnis Leverkusens sich darauf beschränkt, Zinedine Zidane eines der schönsten Tore der Fußballgeschichte ermöglicht zu haben. 2002 war das, im Jahr des Toppmöller, als die wenig honorige Legende vom ewigen Zweiten geboren wurde. »Vizekusen« oder wie man in England sagte: »Neverkusen«.

Zwischen damals und jetzt lagen Täler und Hügel. Dann kam der Mont Ventoux: Ohne nennenswertes Vorland erhebt sich der erste Meistertitel des Vereins in Hochgebirgsgröße. Bei genau null Ausschlag auf der Zitterskala. Ein Durchmarsch, und der Punkte­rekord der Bundesliga – 2013 schlossen die Bayern mit 91 ab – ist noch drin. Fünf Spieltage vor Schluss steht Leverkusen in allen drei Pflichtspielwettbewerben ungeschlagen, eindrucksvoller als etwa die Invincibles von Arsenal mit ihren zwölf Remis 2003/04. Xabi Alonso musste auf Glück nicht hoffen: ein strukturiertes, gleichwohl variables Spiel, eine organische Mannschaft, die jeden Spieler besser macht, eine Haltung, die nichts leichtnimmt. Man wird sehen, ob das in den kommenden Spielen, wenn es um nichts mehr geht, so bleibt.

Und die Bayern? Der Bruch war überfällig. Ihr Erfolg beruhte lange Zeit auf einer Methode, die Methode recht eigentlich nicht zu nennen wäre. In den neunziger Jahren arbeitete man mit einem Geldvorteil, der in sportliche Entwicklung aber nicht umgesetzt wurde. Man agierte de­struktiv, kaufte der Konkurrenz Spieler weg, ob die zur eigenen Mannschaft passten oder nicht.

Die Größe eines Vereins misst sich weniger an Titeln als vielmehr daran, ob er eine Spielidee hat, die beharrlich in allen ihren Teilen ausbuchstabiert wird, von Jugendarbeit über Scouting und Transfers bis hin zur Trainingsmethodik und dem Spiel auf dem Platz. Dass Bayern vor 2013 seine Dominanz am Markt nicht in eine beständige sportliche Dominanz umsetzen konnte, hat mit dem Fehlen einer solchen Spielidee und einem ihr entsprechenden organischen Ganzen zu tun. Mit Louis van Gaal änderte sich das, auch wenn er bald scheiterte. Jupp Heynckes stabilisierte die Methode, Pep Guardiola entwickelte sie fort. Von dieser Substanz profitierten die folgenden Trainer, seit 2016 ließ die Mannschaft erst kaum merklich, dann deutlich nach. (Flicks Coronasaison darf als nicht exemplarisch ausgeklammert werden.) Irgendwann musste dann einfach Schluss sein, der Verein war längst ins alte Muster zurückgefallen. Traurig für ihn, nicht für die Liga.

QOSHE - Sauber gerissen - Felix Bartels
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Sauber gerissen

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15.04.2024

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3.000 Jahre Warten hat sich gelohnt: Leverkusen ist Meister

Elfmal Bayern, jetzt Bayer. Etwas origineller hätte der Fußballgott sich schon zeigen dürfen. Bis zum Wochenende hatte das Vermächtnis Leverkusens sich darauf beschränkt, Zinedine Zidane eines der schönsten Tore der Fußballgeschichte ermöglicht zu haben. 2002 war das, im Jahr des Toppmöller, als die wenig honorige Legende vom ewigen Zweiten geboren wurde. »Vizekusen« oder wie man in England sagte: »Neverkusen«.

Zwischen damals und jetzt lagen Täler und Hügel. Dann kam der Mont Ventoux: Ohne nennenswertes Vorland erhebt sich der erste Meistertitel........

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