IMAGO/Xinhua

Der Druck steigt unverändert. Auch in der knappen Woche, in der in Beijing der Nationale Volkskongress seine Jahrestagung abhielt, wurden im Westen neue Maßnahmen angekündigt oder gestartet, die Chinas Aufstieg bremsen, stoppen oder gar rückgängig machen sollen. In Washington kündigte US-Präsident Joseph Biden seine Zustimmung zu einem Tik-Tok-Verbot an und brachte ein mögliches Einfuhrverbot für chinesische Elektro­autos auf den Weg. Die EU öffnete die Tür für rückwirkende Strafzölle auf den Import batteriebetriebener Fahrzeuge aus China und trieb die Debatte über Schritte gegen den Erwerb chinesischer Solarzellen voran. Aus Australien wurde gemeldet, die Rüstungsbranche steigere rasant die Produktion von US-Munition, da die US-Konzerne im eigenen Land nicht mehr nachkämen und endlich Taiwan mit Granaten vollgepumpt werden müsse. Auf den Philippinen wiederum dachte Präsident Ferdinand »Bongbong« Marcos laut über US-Beistand im Inselstreit mit ­China nach: »Noch« wolle er ihn nicht einfordern, erklärte er. Noch.

Der Nationale Volkskongress hat seinerseits Maßnahmen angekündigt, die dazu beitragen sollen, China für den sich stetig verschärfenden Konflikt fit zu machen. Auf wirtschaftlicher Ebene soll der Schwerpunkt weniger auf quantitativem Wachstum liegen als vielmehr darauf, in zentralen Hightechbranchen Durchbrüche an die Weltspitze zu erzielen. Gegen etwaige Angriffe von außen wird verstärkt aufgerüstet. In Zukunft soll zudem, wie Delegierte am Wochenende mitteilten, die nationale Sicherheit auch anderweitig gestärkt werden – so etwa mit einem neuen Gesetz zur Cybersicherheit. Die Bevölkerung soll allgemein aufgerufen werden, die Landesverteidigung stärker zu unterstützen. Bereits im vergangenen Jahr wurde ein neues Gesetz zur Spionageabwehr verabschiedet, und vor kurzem wurde beschlossen, Staatsgeheimnisse – und damit zugleich die Pflicht, sie zu wahren – künftig erheblich breiter zu definieren. Der kontinuierlich steigende äußere Druck setzt sich in wachsenden inneren Druck um.

Zugleich zieht auch die Partei die Zügel an: Sie strafft die politischen Strukturen und weitet die direkte Kontrolle des Regierungshandelns aus. Im Westen wurde aufgeregt berichtet, dass auf der Jahrestagung des Volkskongresses in diesem Jahr die herkömmliche Pressekonferenz des Ministerpräsidenten entfiel: Da wird die Macht weiter auf den Staats- und Parteichef konzentriert, wenngleich derlei in Präsidialsystemen üblich ist; die USA etwa leisten sich gar keinen Ministerpräsidenten. Zum Abschluss der Jahrestagung beschlossen die Delegierten darüber hinaus, der Partei eine direktere Kontrolle über den Staatsrat, die Exekutive der Volksrepublik, zu gewähren. Das reicht freilich über eine simple Straffung der Strukturen zur Abwehr äußeren Drucks hinaus: Es erleichtert auch einen politischen Durchgriff zugunsten genereller Kurskorrekturen. Man darf gespannt sein, wie die Partei ihre strafferen Zügel nutzen wird.

QOSHE - Druck im Kessel - Jörg Kronauer
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Druck im Kessel

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11.03.2024

IMAGO/Xinhua

Der Druck steigt unverändert. Auch in der knappen Woche, in der in Beijing der Nationale Volkskongress seine Jahrestagung abhielt, wurden im Westen neue Maßnahmen angekündigt oder gestartet, die Chinas Aufstieg bremsen, stoppen oder gar rückgängig machen sollen. In Washington kündigte US-Präsident Joseph Biden seine Zustimmung zu einem Tik-Tok-Verbot an und brachte ein mögliches Einfuhrverbot für chinesische Elektro­autos auf den Weg. Die EU öffnete die Tür für rückwirkende Strafzölle auf den Import batteriebetriebener Fahrzeuge aus China und trieb die Debatte über Schritte gegen den Erwerb chinesischer Solarzellen voran. Aus Australien wurde gemeldet, die Rüstungsbranche steigere rasant die Produktion........

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