Tobias Hase/dpa

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) forderte auf der »Sicherheitskonferenz« am Samstag mehr Waffen für die Ukraine

Die EU wird zur Zeit, das wurde auf der Münchner »Sicherheitskonferenz« einmal mehr deutlich, von zwei Seiten in die Zange genommen. Auf der einen, im Osten, tobt weiterhin der Ukraine-Krieg. Moskau versuche, seine einstige »Dominanz über Ost- und Mitteleuropa wiederherzustellen«, brachte Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) den politischen Kernpunkt des Kriegs aus Berliner Sicht auf den Punkt. Deshalb sei es klar, dass man die Ukraine unvermindert dabei unterstützen müsse, »zu kämpfen und den Krieg zu gewinnen«. Denn schließlich kämpft sie, wenngleich Pistorius das nicht offen aussprach, gegen jede russische und damit nach Lage der Dinge für die westliche, insbesondere auch für die deutsche Dominanz. Aktuell sieht es dabei nicht gut für sie aus.

Auf der anderen Seite, im Westen, geht der Hauptverbündete in wachsendem Maß seinen eigenen Weg. Immer wieder waren in München fast flehentliche Appelle an die USA zu hören, doch wenigstens noch das 60 Milliarden US-Dollar schwere Unterstützungspaket für Kiew auf den Weg zu bringen. Nur: Selbst wenn das gelänge, zeichnet sich ziemlich deutlich ab, dass die wortschwallgewaltigen »Europäer« demnächst vielleicht ohne militärische Rückendeckung aus den USA klarkommen müssen. Auch die Debatten im Bayerischen Hof wurden von der Ankündigung des möglichen künftigen US-Präsidenten Donald Trump überschattet, sich endlich ganz auf den Machtkampf gegen China konzentrieren zu wollen. Europa und Russland? Sollen sie doch machen, was sie wollen, meint Trump.

Theoretisch könnte Europa auf einen Waffenstillstand drängen. Das aber wäre ein Eingeständnis, dass es Deutschland und der EU – Stichwort: Dominanz – nicht gelingt, Moskau in die Schranken zu weisen. Für Berlin kommt das nicht in Frage. Es bleibt also nichts anderes übrig, als, wie Scholz es nun verkündete, auf die Militarisierung der EU zu setzen – koste es die darbende Bevölkerung, was es wolle. Dass Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen auf der »Sicherheitskonferenz« eine EU-Rüstungsstrategie ankündigte und mitteilte, einen Verteidigungskommissar einsetzen zu wollen, gehört dazu.

Die EU ist damit spät dran. Gemeinsame Streitkräfte aufbauen, gemeinsam Kriege führen – das will sie seit Jahrzehnten. Bislang ist sie stets zuverlässig an internem Zwist gescheitert, meist an Hahnenkämpfen zwischen Berlin und Paris. Russland ist mittlerweile stärker geworden, nicht zuletzt militärisch, wie der jüngste Testeinsatz einer »Zirkon«-Hyperschallrakete in der Ukraine zeigt. Ob an der Behauptung, Russland plane, Atomwaffen im Weltall zu stationieren, etwas dran ist oder nicht: Um Panik zu schüren und immense Summen für eine gigantische Aufrüstung zu legitimieren, reicht sie allemal. Ob es der EU aber diesmal gelingt, unter dem Druck des machtpolitischen Abstiegs ihre inneren Brüche zu überwinden? Man mag es bezweifeln. Widerstand lohnt womöglich mehr denn je.

QOSHE - EU in der Zange - Jörg Kronauer
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EU in der Zange

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18.02.2024

Tobias Hase/dpa

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) forderte auf der »Sicherheitskonferenz« am Samstag mehr Waffen für die Ukraine

Die EU wird zur Zeit, das wurde auf der Münchner »Sicherheitskonferenz« einmal mehr deutlich, von zwei Seiten in die Zange genommen. Auf der einen, im Osten, tobt weiterhin der Ukraine-Krieg. Moskau versuche, seine einstige »Dominanz über Ost- und Mitteleuropa wiederherzustellen«, brachte Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) den politischen Kernpunkt des Kriegs aus Berliner Sicht auf den Punkt. Deshalb sei es klar, dass man die Ukraine unvermindert dabei unterstützen müsse, »zu kämpfen und den Krieg zu gewinnen«. Denn schließlich kämpft sie, wenngleich Pistorius das nicht offen aussprach, gegen........

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