Julia Nikhinson/REUTERS

US-Außenminister Antony Blinken (r.) neben dem dänischen Außenminister Lars Løkke Rasmussen (Washington D.C., 21.12.2023)

Nordeuropa schließt die Reihen. Nach Norwegen, Schweden und Finnland hat nun auch Dänemark ein Militärabkommen mit den Vereinigten Staaten unterzeichnet, das den US-Streitkräften weitreichende Vollmachten überträgt. Es geht deutlich über die üblichen NATO-Vereinbarungen hinaus, mit denen die Mitglieder verbündeten Streitkräften Unterstützung beim Transit wie auch beim Aufenthalt gewähren – diese Vereinbarungen kennt man als Host Nation Support. Dänemarks neues Abkommen gestattet dem US-Militär die freie Nutzung dreier dänischer Luftwaffenstützpunkte, auf denen US-Truppen künftig nach Lust und Laune agieren dürfen. Sogar die Einlagerung von Waffen ist erlaubt. Auch einen Hafen an Dänemarks Westküste sollen US-Einheiten frei nutzen können; das hilft beim Heranschaffen von schwerem Kriegsgerät. In dem Abkommen heißt es, die Vereinigten Staaten würden ihre Maßnahmen auf dänischem Territorium mit Dänemarks Regierung »koordinieren«. Was das im echten Leben heißt – nun ja.

Klar ist jedenfalls: Die US-Streitkräfte haben künftig für Operationen mit Ziel Russland und für deren Vorbereitung in ganz Nordeuropa freie Bahn – denn Abkommen, die demjenigen mit Dänemark gleichen, haben sie zuvor bereits mit Norwegen, Schweden und Finnland geschlossen. Zu den Stützpunkten in Dänemark, die sie nutzen dürfen, kommen noch vier in Norwegen, 17 in Schweden und 15 in Finnland hinzu. Dass die Regierungen dort jeweils betonten, der Stationierung von US-Nuklearwaffen hätten sie nicht zugestimmt, zeigt: Alles, aber auch wirklich alles andere geht. Skandinavien wird damit bei Bedarf zu einem riesigen Aufmarschgebiet. Nein, der Auslöser dafür ist nicht Russlands Angriff auf die Ukraine gewesen: Das Militärabkommen mit Norwegen haben die Vereinigten Staaten bereits im April 2021 unterzeichnet; die Verhandlungen begannen entsprechend früher. Und: Auch mit den baltischen Staaten gibt es gleichartige Abkommen. Sie wurden bereits im Jahr 2017 unterzeichnet, als die umfassende NATO-Truppenstationierung im Baltikum begann.

Druck erzeugt Gegendruck: Russland wird, wie Präsident Wladimir Putin am Sonntag ankündigte und Generalstabschef Waleri Gerassimow am Donnerstag bestätigte, nun daran gehen, die Militärbezirke Leningrad und Moskau, die erst 2010 zum Militärbezirk West zusammengelegt wurden, wieder getrennt zu formieren und in der Region Sankt Petersburg Truppenverbände neu zu massieren. Auch das ist schon seit einiger Zeit bekannt, wird nun aber stärker betont. Europa sei in jeder Hinsicht wieder zur »Arena« des Machtkampfs zwischen dem Westen und Russland geworden, konstatierte Gerassimow. Der Gedanke, US-Großverbände könnten gemeinsam mit Truppen aus anderen NATO-Staaten in Nordeuropa und im Baltikum aufmarschieren und sich russischen Großverbänden gleich auf der anderen Seite der NATO-Außengrenzen gegenübersehen, zeigt deutlich, wie sehr die Kriegsgefahr eskaliert.

QOSHE - Freie Bahn - Jörg Kronauer
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22.12.2023

Julia Nikhinson/REUTERS

US-Außenminister Antony Blinken (r.) neben dem dänischen Außenminister Lars Løkke Rasmussen (Washington D.C., 21.12.2023)

Nordeuropa schließt die Reihen. Nach Norwegen, Schweden und Finnland hat nun auch Dänemark ein Militärabkommen mit den Vereinigten Staaten unterzeichnet, das den US-Streitkräften weitreichende Vollmachten überträgt. Es geht deutlich über die üblichen NATO-Vereinbarungen hinaus, mit denen die Mitglieder verbündeten Streitkräften Unterstützung beim Transit wie auch beim Aufenthalt gewähren – diese Vereinbarungen kennt man als Host Nation Support. Dänemarks neues Abkommen gestattet dem US-Militär die freie Nutzung dreier dänischer Luftwaffenstützpunkte, auf denen US-Truppen künftig nach Lust........

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