Bernadett Szabo/REUTERS

Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán sprach am Montag im Parlament in Budapest zu den Abgeordneten

In der militärischen Praxis wird er wohl nicht allzu viel ändern, der Beschluss des ungarischen Parlaments vom Montag, die Aufnahme Schwedens in die NATO zu ratifizieren. Damit ist zwar die letzte Hürde für den schwedischen Beitritt zum westlichen Kriegsbündnis beseitigt, der jetzt rasch in aller Form erfolgen wird. Doch ist Schweden real schon längst eng in die Bündnisstrukturen eingebunden. Nicht nur, dass Regierungsvertreter regelmäßig an NATO-Treffen teilnehmen. Die schwedischen Streitkräfte kooperieren seit vielen Jahren eng mit den anderen nordeuropäischen NATO-Staaten, haben sich schon 2009 mit Dänemark, Finnland, Island und Norwegen zur Nordic Defence Cooperation (Nordefco) zusammengetan, nehmen regelmäßig an NATO-Manövern teil – aktuell etwa an »Steadfast Defender« –, haben sich an NATO-Einsätzen wie dem in Afghanistan beteiligt, und seit 2013 halten sie sogar Einheiten für die NATO Response Force bereit. Jetzt kommt eben noch der offizielle NATO-Stempel drauf.

Und dennoch: Dass es nicht zu dem erhofften schnellen Beitritt kam, nachdem Finnland und Schweden im Mai 2022 die NATO-Mitgliedschaft beantragt hatten, hat viel Ärger verursacht – und es hat gezeigt: Auch einzelne Mitglieder, nicht nur die militärisch relevante Türkei, sondern auch das kleine Ungarn, haben im Bündnis erhebliches Störpotential. Stören, das ist gerade für schwächere Staaten das einzige Mittel, wirklich Druck auf bedeutende Mächte auszuüben. Der Präsident der Türkei, Recep Tayyip Erdoğan, stellt sich regelmäßig quer, um etwas zu erreichen; er hat mit seiner lange anhaltenden Beitrittsblockade Zugeständnisse in der Repression gegen kurdische Organisationen und beim Kauf von US-Kampfjets F-16 erhalten. Ungarns Präsident Viktor Orbán kann einen ähnlichen Erfolg nicht vorweisen; dass Schweden seinem Land nun vier weitere »Gripen«-Kampfjets zusätzlich zu den zwölf verkauft, die Ungarn schon besitzt – nun ja. Allerdings hat Orbán einmal mehr klargestellt: Auch er kann nein sagen. Besser also, man berücksichtigt seine Interessen, bindet ihn ein.

Dass ausgerechnet Ungarn und die Türkei sich gemeinsam quergestellt haben, ist kein Zufall. Beide setzen darauf, ihre Außenpolitik nicht auf ihre Einbindung in die westlichen Bündnisse zu reduzieren; beide arbeiten deshalb in gewissem Umfang mit Russland zusammen. Ungarn orientiert sich auch ökonomisch stärker in Richtung Türkei, Südkaukasus und Zentralasien: Von dort bezieht es einen wichtigen Teil seiner Energierohstoffe; zu den Ländern der Region baut es, um der erdrückenden Abhängigkeit von Deutschland zu entkommen, seit geraumer Zeit seine Wirtschaftsbeziehungen aus. 2018 hat es in diesem Kontext Beobachterstatus bei der Organisation der Turkstaaten erhalten, in der die Türkei und einige Länder des Südkaukasus und Zentralasiens zusammengeschlossen sind. Sich in der NATO gemeinsam querzustellen, das schweißt ein weiteres Stückchen zusammen, demonstriert zumindest eine gewisse gemeinsame Unabhängigkeit.

QOSHE - Quersteller - Jörg Kronauer
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26.02.2024

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Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán sprach am Montag im Parlament in Budapest zu den Abgeordneten

In der militärischen Praxis wird er wohl nicht allzu viel ändern, der Beschluss des ungarischen Parlaments vom Montag, die Aufnahme Schwedens in die NATO zu ratifizieren. Damit ist zwar die letzte Hürde für den schwedischen Beitritt zum westlichen Kriegsbündnis beseitigt, der jetzt rasch in aller Form erfolgen wird. Doch ist Schweden real schon längst eng in die Bündnisstrukturen eingebunden. Nicht nur, dass Regierungsvertreter regelmäßig an NATO-Treffen teilnehmen. Die schwedischen Streitkräfte kooperieren seit vielen Jahren eng mit den anderen nordeuropäischen NATO-Staaten, haben sich schon 2009 mit Dänemark, Finnland, Island und........

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