US Central Command via X/Handout via REUTERS

Bei internationalen Konflikten kennen die USA vor allem eine Lösung: Bomben (Pentagon-Foto)

Hat er begonnen, der weithin gefürchtete Flächenbrand im Nahen und Mittleren Osten, als die Vereinigten Staaten und Großbritannien in der Nacht von Donnerstag auf Freitag heftige Angriffe auf den Jemen starteten? Viel spricht dafür. Die Ansarollah haben offiziell erklärt, sie sähen sich zu einer Antwort gezwungen. Washington und London haben ihrerseits deutlich gemacht, sie würden auf eine solche Antwort reagieren. Der wohl einzige Ausweg aus der Eskalationsspirale bestünde darin, dass Israel im Gazastreifen die Waffen ruhen ließe; denn dann würden die Ansarollah, das bekräftigen sie jedenfalls, ihre Attacken auf Schiffe im Roten Meer beenden. Mit einer Einstellung der israelischen Angriffe rechnet jedoch niemand.

Bei aller Wut über die jüngste US-Militäraggression im Mittleren Osten, die, nebenbei, die Bundesregierung in einer offiziellen Erklärung ausdrücklich unterstützt: Die Raketen, die da im Jemen niedergingen, sind strategisch betrachtet ein Zeichen der Schwäche. Washington hat für seine Verhältnisse lange gezögert, bis es den Angriffsbefehl gab – und das nicht ohne Grund. Eskaliert der Waffengang, dann stecken die USA bald im nächsten großen Mittelostkrieg fest. Die Kriege, die sie in den vergangenen beiden Jahrzehnten in der Region geführt haben, haben ihre Position dort nicht gestärkt, sondern geschwächt. Von Syrien über die Arabische Halbinsel bis Irak haben Russland, Iran und China erheblich an Einfluss gewonnen. Ein neuer Mittelostkrieg hielte Washington zudem erneut davon ab, seine Kräfte auf den entscheidenden Machtkampf gegen Beijing zu fokussieren. Attraktiv sind die Aussichten eines solchen Krieges für die USA nicht.

Nur: Die Angriffe der Ansarollah kosten den Westen immense Summen. Dass Handelsschiffe den langen Umweg um Afrika herum nehmen müssen, ist teuer und bringt die Lieferketten in Unordnung; Tesla etwa gab am Freitag bekannt, den Betrieb in Grünheide deshalb für zwei Wochen stoppen zu müssen, und es zeichnet sich ab: Auf Industrie und Handel kommen noch viele weitere Probleme zu. Ein Staat, der sich als globale Ordnungsmacht geriert, aber nicht eingreift, wenn weithin Milliardenschäden drohen, büßt seinen Status ein. Ein solcher Machtverlust wäre aus Sicht der Herrschenden in den USA das größere Übel. Also lassen sie sich auf das für sie vermeintlich kleinere Übel ein – einen neuen Waffengang in Mittelost. Auch auf die Gefahr hin, dass die mit ihm verbundenen Nachteile ihre globale Machtposition weiter untergraben und der Krieg strategisch zum nächsten Schritt ihres Abstiegs wird.

QOSHE - Status in Gefahr - Jörg Kronauer
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Status in Gefahr

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12.01.2024

US Central Command via X/Handout via REUTERS

Bei internationalen Konflikten kennen die USA vor allem eine Lösung: Bomben (Pentagon-Foto)

Hat er begonnen, der weithin gefürchtete Flächenbrand im Nahen und Mittleren Osten, als die Vereinigten Staaten und Großbritannien in der Nacht von Donnerstag auf Freitag heftige Angriffe auf den Jemen starteten? Viel spricht dafür. Die Ansarollah haben offiziell erklärt, sie sähen sich zu einer Antwort gezwungen. Washington und London haben ihrerseits deutlich gemacht, sie würden auf eine solche Antwort reagieren. Der wohl einzige Ausweg aus der Eskalationsspirale bestünde darin, dass Israel im Gazastreifen die Waffen ruhen........

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