Ibraheem Abu Mustafa/File Photo/REUTERS

Ohne UNRWA keine Versorgung mit Lebensmitteln: Verteilung von Mehl in Khan Junis (29.11.2023)

Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina, UNRWA, beschäftigt allein im Gazastreifen rund 13.000 Mitarbeiter. Seit Freitag beschuldigt Israel zwölf von ihnen – das sind 0,09 Prozent –, »in das Hamas-Massaker vom 7. Oktober verwickelt« gewesen zu sein. Deutschland gehört zu den neun Staaten, die daraufhin sofort erklärt haben, sie würden der Hilfsorganisation »bis zum Ende der Aufklärung« der israelischen Vorwürfe keine weiteren Mittel zur Verfügung stellen.

Dabei weiß man in Berlin sehr wohl, dass die Arbeit der UNRWA, die im Gazastreifen unter anderem 700 Schulen, 150 Kliniken und zahlreiche Zentren für soziale Dienstleistungen unterhält, »für die Grundversorgung der palästinensischen Bevölkerung lebenswichtig« ist, wie es in einer gemeinsamen Mitteilung des Außenministeriums und des Ministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zur Sperrung der Finanzhilfe heißt. Ein schwacher Trost: »Die humanitäre Hilfe läuft weiter.« »Gerade vor wenigen Tagen« habe man die Mittel für das Internationale Rote Kreuz und für UNICEF, das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen, aufgestockt. Bis auf weiteres müsste man hinzufügen, denn auch diese beiden Organisationen werden von Israel beschuldigt, mit der Hamas zusammenzuarbeiten. Der Vorwurf sitzt bei den in Jerusalem regierenden Rechten und Ultrarechten stets sehr locker. Man erinnere sich an UN-Generalsekretär António Guterres, der von Israels Botschafter bei der UNO als Terroristengehilfe beschimpft wurde, nachdem er die Selbstverständlichkeit erwähnt hatte, dass der 7. Oktober »nicht im luftleeren Raum« stattfand.

Für die israelischen Anschuldigungen gegen die zwölf UNRWA-Mitarbeiter gibt es bisher keine Beweise. Es ist noch nicht einmal bekannt, was ihnen spezifisch vorgeworfen wird, wie CNN am Sonntag berichtete. Der US-amerikanische Sender spricht deshalb von einer »angeblichen Verwicklung in die Ereignisse des 7. Oktober« statt von einer »mutmaßlichen Beteiligung am Massaker der Hamas«, wie es beispielsweise bei Spiegel online hieß. Der kleine, aber wichtige Unterschied markiert die Grenze zu klassischen journalistischen Standards.

UNRWA ist seit vielen Jahren, sogar schon seit Jahrzehnten, Ziel israelischer Angriffe. Gefordert wird regelmäßig die Auflösung der 1949 von der UN-Vollversammlung beschlossenen separaten Organisation, die gegenwärtig für 5,9 Millionen Palästinenser zuständig ist, und ihre Eingliederung in das erst ein Jahr später gegründete Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen, das UNHCR. In Wirklichkeit würde das an der Tatsache nichts ändern, dass auch jede andere internationale Hilfsorganisation und sogar eine israelische Militärverwaltung im Gazastreifen auf Tausende einheimischer Mitarbeiter angewiesen wäre, die sie nicht hundertprozentig kontrollieren kann.

QOSHE - Ohne jeden Beweis - Knut Mellenthin
menu_open
Columnists Actual . Favourites . Archive
We use cookies to provide some features and experiences in QOSHE

More information  .  Close
Aa Aa Aa
- A +

Ohne jeden Beweis

6 0
28.01.2024

Ibraheem Abu Mustafa/File Photo/REUTERS

Ohne UNRWA keine Versorgung mit Lebensmitteln: Verteilung von Mehl in Khan Junis (29.11.2023)

Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina, UNRWA, beschäftigt allein im Gazastreifen rund 13.000 Mitarbeiter. Seit Freitag beschuldigt Israel zwölf von ihnen – das sind 0,09 Prozent –, »in das Hamas-Massaker vom 7. Oktober verwickelt« gewesen zu sein. Deutschland gehört zu den neun Staaten, die daraufhin sofort erklärt haben, sie würden der Hilfsorganisation »bis zum Ende der Aufklärung« der israelischen Vorwürfe keine weiteren Mittel zur Verfügung stellen.

Dabei weiß man in Berlin sehr wohl, dass die Arbeit der UNRWA, die im Gazastreifen unter anderem 700........

© Junge Welt


Get it on Google Play