Evelyn Hockstein/REUTERS

Beste Freunde: Die Außenminister Armeniens (Ararat Mirzoyan), der USA (Antony Blinken) und Aserbaidschans (Jehhun Bayramov) bei einem Treffen in Arlington (29.6.2023)

Jetzt sollen also Armenien und Aserbaidschan bereit sein, ihre Beziehungen zu normalisieren. Zustimmendes kommt aus Washington und Berlin, womöglich kann jetzt sogar eine Politshow wie die nächste Weltklimakonferrenz in einem der beiden jahrzehntelang verfeindeten Staaten ausgerichtet werden – zweckmäßigerweise dem reicheren von beiden und demjenigen, der aufgrund seiner Öl- und Gasvorkommen mit Sicherheit den breiteren CO2-Fußabdruck hinterlässt.

Natürlich, den Bevölkerungen beider Länder, vor allem Armeniens, ist zu wünschen, dass sie nicht mehr unter akuter Kriegsgefahr ihren auch so nicht einfachen Alltag bewältigen müssen. Trotzdem stellt sich die Frage, warum die USA – die auch gleich Gastgeber für die eigentlichen Friedensverhandlungen der beiden südkaukasischen Staaten sein wollen – sich um diese Einigung zwischen zwei »fernen Ländern, von denen wir nichts wissen«, bemühen wollen.

Die erste Antwort ist: Weil sie es sein wollen, die sich damit als Ordnungsmacht in einer Region festsetzen, die traditionell als Einflussgebiet Russlands und in zweiter Linie der Türkei gegolten hat. Die zweite Antwort gibt ein Blick auf die Landkarte: Beide Länder grenzen im Süden an den Iran, Aserbaidschan im Norden an Russland. Wenn die USA sich dort festsetzen, wird die Einkreisung Teherans ein Stück enger, und die militärische Zusammenarbeit des Irans und Russlands logistisch erschwert. Bisher hat die Luftbrücke über dem Kaspischen Meer – über das Aserbaidschan bis zur Mittellinie die Souveränität beansprucht – reibungslos funktioniert. Das muss nicht so bleiben. Gleichzeitig verliert Russland eine sichere Lufttransportroute in den Nahen Osten, insbesondere nach Syrien. Da lohnt es sich für Washington, auch einmal Frieden zu stiften, statt Kriege anzuzetteln.

Russland hat sich seine diplomatische Niederlage im Südkaukasus selbst zuzuschreiben. Man glaubte in Moskau, das zwischen zwei feindlichen Ländern eingeklemmte Armenien habe keine Alternative zur Allianz mit Russland. Moskau hat die aserbaidschanische Offensive und damit die armenische Niederlage stillschweigend hingenommen. Dass Armenien glaubt, auf einen solchen Verbündeten verzichten zu können, muss nicht wundern.

Ein letzter Gedanke drängt sich auf. Carl von Clausewitz hat geschrieben, der Krieg sei die Fortsetzung der Politik unter Einmischung anderer Mittel. Das heißt, die Gründe des Krieges reifen im Frieden heran, der eben nicht der von Pazifisten idealisierte Zustand des Gewaltverzichts ist, sondern, um das Clausewitz-Zitat umzukehren, die Vorbereitung des Krieges unter Weglassung einiger Mittel. Jean Jaurès hat gesagt, der Kapitalismus trage den Krieg in sich wie die Wolke den Regen. Dieser Frieden trägt den Keim des nächsten Krieges in sich. Eines größeren als des armenisch-aserbaidschanischen.

QOSHE - Fuß in der Tür - Reinhard Lauterbach
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Fuß in der Tür

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08.12.2023

Evelyn Hockstein/REUTERS

Beste Freunde: Die Außenminister Armeniens (Ararat Mirzoyan), der USA (Antony Blinken) und Aserbaidschans (Jehhun Bayramov) bei einem Treffen in Arlington (29.6.2023)

Jetzt sollen also Armenien und Aserbaidschan bereit sein, ihre Beziehungen zu normalisieren. Zustimmendes kommt aus Washington und Berlin, womöglich kann jetzt sogar eine Politshow wie die nächste Weltklimakonferrenz in einem der beiden jahrzehntelang verfeindeten Staaten ausgerichtet werden – zweckmäßigerweise dem reicheren von beiden und demjenigen, der aufgrund seiner Öl- und Gasvorkommen mit Sicherheit den breiteren CO2-Fußabdruck hinterlässt.

Natürlich, den Bevölkerungen beider Länder, vor allem Armeniens, ist zu wünschen, dass sie........

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