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Kanonenfutter im Stellvertreterkrieg: Ukrainische Soldaten im Schützengraben (Saporischschja, 22.2.2024)

Der Krieg in der Ukraine geht in sein drittes Jahr. Täglich werden junge Männer an der Front getötet oder verstümmelt, weite Landstriche der Ukraine sind verwüstet. Die Weltbank beziffert den Schaden für die Ukraine auf rund 500 Milliarden US-Dollar. Aber auch unsere Zukunft steht auf dem Spiel in diesem Stellvertreterkrieg, der uns nach Schätzung deutscher Wirtschaftsinstitute schon mehr als 200 Milliarden Euro an Wohlstand gekostet hat.
Die Strategie, Russland durch Sanktionen ökonomisch zu ruinieren und über Waffenexporte an die Ukraine militärisch zu besiegen, ist krachend gescheitert. Das russische Militär ist in der Offensive, während der Ukraine die Soldaten ausgehen. 600.000 ukrainische Männer im wehrfähigen Alter sind in den Westen geflohen, weil sie nicht verheizt werden wollen in einem vermeidbaren Krieg, der nach wenigen Wochen in einem Verhandlungsfrieden hätte enden können, wenn der Westen sich nicht auf fatale Weise eingemischt und die falsche Hoffnung auf einen ukrainischen Siegfrieden genährt hätte.

Wird man nun endlich zur Vernunft kommen und versuchen, mit Russland über einen Waffenstillstand zu verhandeln? Es gibt dazu keine Alternative – außer einer totalen Eskalation mit unkalkulierbaren Folgen. Doch nicht nur die Union, auch große Teile der Grünen und der FDP rühren die Trommel für die Lieferung von Raketen, deren Reichweite bis nach Moskau geht. »Ich wundere mich, dass einige nicht einmal darüber nachdenken, ob es zu einer Kriegsbeteiligung kommen kann durch das, was wir tun« – mit diesen Worten hat Olaf Scholz der Lieferung von »TAURUS« zwar eine Absage erteilt. Aber kann man sich auf einen Kanzler verlassen, der schon zuvor rote Linien gezogen und dann überschritten hat und dessen olivgrüne und »liberale« Partner teilweise schon auf eine Koalition mit der Union schielen?

Ein Gamechanger wären auch die »TAURUS«-Raketen nicht. Um Russland militärisch zum Rückzug aus den besetzten Gebieten zu zwingen, bräuchte es ein Vielfaches an Munition und letztlich auch Soldaten aus NATO-Ländern, die die Lücken in die Reihen der ukrainischen Armee füllen. Dieser fatalen Logik entsprechend hat der französische Präsident Macron nun die Entsendung von Bodentruppen ins Spiel gebracht. Spätestens damit würde eine Spirale in Gang gesetzt, die in einem dritten Weltkrieg mit Einsatz von Nuklearwaffen münden könnte.

»Wer A sagt, muss nicht B sagen. Er kann auch erkennen, dass A falsch war«, hat Bertolt Brecht einmal gesagt. Da man sich zum Eingeständnis eigener Fehler weder in der Ampel noch in der Union durchringen kann, sind alle vernünftigen Kräfte gefragt, den öffentlichen Druck zu erhöhen und die Erkenntnis weiter zu verbreiten: Es gibt für diesen Konflikt keine militärische Lösung! Wer mit deutschen Waffen den Krieg nach Russland tragen will, der trägt den Krieg nach Deutschland und setzt damit unser größtes Gut fahrlässig aufs Spiel: ein Leben in Freiheit, Frieden und Sicherheit.

QOSHE - Fatale Logik - Sahra Wagenknecht
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Fatale Logik

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27.02.2024

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Kanonenfutter im Stellvertreterkrieg: Ukrainische Soldaten im Schützengraben (Saporischschja, 22.2.2024)

Der Krieg in der Ukraine geht in sein drittes Jahr. Täglich werden junge Männer an der Front getötet oder verstümmelt, weite Landstriche der Ukraine sind verwüstet. Die Weltbank beziffert den Schaden für die Ukraine auf rund 500 Milliarden US-Dollar. Aber auch unsere Zukunft steht auf dem Spiel in diesem Stellvertreterkrieg, der uns nach Schätzung deutscher Wirtschaftsinstitute schon mehr als 200 Milliarden Euro an Wohlstand gekostet hat.
Die Strategie, Russland durch Sanktionen ökonomisch zu ruinieren und über Waffenexporte an die Ukraine militärisch zu besiegen, ist krachend gescheitert. Das russische Militär ist in der........

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