Eine Jurte bei der Luzerner Matthäuskirche sollte vier Wochen lang als kleiner Rückzugsort im Vorweihnachtsstress dienen. Doch das Zelt durfte nicht aufgebaut werden, weil es aus städtebaulichen und denkmalschützerischen Gründen nicht passte. Der Behördenentscheid sorgt für Stirnrunzeln – zu Recht.

Es ist nur zu gut bekannt: Die Vorweihnachtszeit ist überdurchschnittlich gespickt mit Anlässen, Treffen, Besorgungspflichten und beruflich-obligatorischen Jahresabschlussarbeiten. Weihnachtsstress. Je nach persönlicher Disposition kann man das auch einigermassen entspannt managen. Oder aber man gönnt sich zumindest kurze Auszeiten dort, wo ein Angebot dazu einlädt.

Die reformierte und die katholische Kirche der Stadt Luzern wollten ein solches Angebot bereitstellen: In einer Jurte bei der Matthäuskirche an der stark von Passanten frequentierten Hertensteinstrasse sollte ein Rückzugsort für bis zu fünf Personen aufgestellt werden. Während vier Wochen bis Weihnachten spontan in einem Jurte-Zelt einige Minuten zu Musik und dampfendem Tee dem Stress entfliehen – eine charmante Idee.

Jedoch: Die Abteilung für Baugesuche zog dem Plan den Stecker. Die Jurte an diesem Standort überzeuge «weder aus städtebaulicher noch denkmalpflegerischer Sicht». Zu spät war klar geworden, dass auch die kantonale Denkmalpflege auf dem nicht-öffentlichen Grundstück die Zustimmung geben muss. Und die Stadt teilte zudem mit, dass «der Innenraum der Matthäuskirche bestimmt diesem Zweck näherkommen würde».

Mal abgesehen davon, dass es sicher nicht Sache der Baugesuchsabteilung ist, das Kircheninnere als konzeptionelle Alternative vorzuschlagen: Warum bloss braucht eine temporäre Zeltbaute eine städtebauliche oder gar denkmalschützerische Beurteilung? Geht es noch formalistischer-bürokratischer?

Vielleicht hilft die Frage, was eine Jurte ist? Ein zerlegbares, rundes, mit Filzdecken belegtes Zelt, das traditionellerweise den Nomaden in Zentralasien zur Behausung dient. Oha, stammt also nicht von hier. Möglicherweise ein Fall von kultureller Aneignung? Denkmalschützerische Gründe am Ende gar nur vorgeschoben?

Wohl kaum. Aber die Polemik kommt nicht von ungefähr. Das Gedankenspiel zeigt nur auf, dass die Kritik an unverhältnismässiger denkmalschützerischer Einmischung nicht grundlos immer wieder aufflammt. Höchste Zeit für eine selbstkritische Überprüfung dieser Arbeitsweise.

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Weihnachtszelt soll unpassend sein? Denkmalschutz schützt nicht vor Denkverboten

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16.12.2023

Eine Jurte bei der Luzerner Matthäuskirche sollte vier Wochen lang als kleiner Rückzugsort im Vorweihnachtsstress dienen. Doch das Zelt durfte nicht aufgebaut werden, weil es aus städtebaulichen und denkmalschützerischen Gründen nicht passte. Der Behördenentscheid sorgt für Stirnrunzeln – zu Recht.

Es ist nur zu gut bekannt: Die Vorweihnachtszeit ist überdurchschnittlich gespickt mit Anlässen, Treffen, Besorgungspflichten und beruflich-obligatorischen Jahresabschlussarbeiten. Weihnachtsstress. Je nach persönlicher Disposition kann man das auch einigermassen entspannt managen. Oder aber man gönnt sich........

© Luzerner Zeitung


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