Heiligabend, Weihnachten und Silvester – auf den Geschenkpapiermüllberg mit diesen Feiern. Die Tage dazwischen hingegen, wo keiner mehr weiss, welcher Wochentag ist, sind wahrhaft zauberhaft.

Heute ist Mittwoch, die Zeitung liegt in Ihrem Briefkasten und die Läden haben offen. Dies zu Ihrer Orientierung. Gern geschehen. Und wenn Sie es nicht komplett übertrieben haben dieses Jahr, steht heute Abend keine Einladung an.

Man wünscht sich «Frohe Weihnachten» und «en guete Rutsch», dabei geht vergessen, dass gerade die Tage zwischen Weihnachten und Neujahr die zauberhaftesten sind. Natürlich haben sie Wochentagsnamen, sogar Daten, nur vergisst man es ständig wieder, so entspannt und unverplant ist die Zeit zwischen den Jahren. In Norwegen gibt es ein eigenes Wort für diese Wonnetage: Mellomjul (zwischen Weihnachten), Mellandagarna, heissen sie in Schweden. Was haben wir uns die verdient!

Nichts gegen Weihnachten, aber selbst wenn die Feiern alle harmonisch verlaufen sind, der Hackbraten pünktlich durchgegart war, keine Geschenkidee doppelt an die Grosseltern, Gotte und Göttis vergeben wurde und an Ihrem Tisch kein Gast sass, der einen Monolog darüber hielt, wie viel besser die Welt oder zumindest die hiesige Gemeindeverwaltung funktionieren würde, wenn man nur auf ihn hören würde - selbst dann fühlt sich die Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr besser an.

Es ist einfach zu viel aufs Mal. Zu viele Traditionen, zu viele Erwartungen, Pflichten, To-do-Listen, Glühwein, piksende Tannennadeln und Kommentare. Hat ja niemand bös gemeint. Ist einfach so gekommen über die Jahre, Jahrzehnte, Jahrhunderte, als erstmals einer fand, so ein Tannenbäumchen mit etwas Schmuck werde die dunkelste Zeit im Jahr noch schön aufhellen. Jetzt flattert das Christkind zwischen LED-Beleuchtung hindurch und an Betten von Kindern vorbei, die schon vor dem 24. Dezember vor Überreizung und zu langer Vorfreude unruhig schlafen, während die Eltern unten in der Stube versuchen, herauszufinden, wie das geschehen konnte, dass die Kugelbahn von ihnen selbst und dem Grossvater gekauft wurde.

Aber jetzt ist der Druck weg. Und gerade ist es ziemlich ruhig, weil die Kinder eine mega lange Kugelbahn bauen und, falls sie damit genug haben, noch ein Berg weiterer Geschenke ausprobiert werden muss oder draussen Nachbarskinder winken, die ihre neuen Rollschuhe/Velos/Skihelme zeigen wollen. Täuscht es, oder ist der Rest der Familie besser gelaunt als die Tage zuvor? Oder spiegelt sich da was und sie sind einfach gottenfroh, dass die Mutter vor lauter Stress nicht mehr rumkeift?

Irgendwas muss sicher noch für Silvester organisiert/eingekauft/vorbereitet werden. Aber noch ist da ein Vakuum bis zum neuen Jahr. Nicht im Sinne von einem Loch, in das man zum Beispiel nach den Ferien fallen kann. Eher im Sinne des Gefühls, das aufkommt, wenn man durch schweisstreibende Muskelkraft und Zeitdruck den Berggipfel erreicht hat und dann nun nur noch die Abfahrt auf einen wartet. Oder dieser kurze Moment während eines Parabelflugs, wo die Passagiere schwerelos sind.

Die anstehenden Termine 2024 hat noch niemand im Kopf, die Strassen sind während diesen Tagen so leer, als wär's ein einziger Sonntagmorgen. Langsam finden wir zu uns selbst zurück. Die wiedererlangte Gelassenheit lassen wir uns auch nicht durch eine 50 Meter lange Schlange bei der Schlittschuhausgabe vor der Eisbahn nehmen. Oder vor der Talstation des Skigebietes, wenn's denn unbedingt sein muss.

Noch schöner ist definitiv, mit einem Messer mit flacher Klinge bäuchlings unter dem Christbaum zu liegen und den Wachs vom Parkett abzukratzen - mit einer Hingabe, dass man es fast schade findet, wenn's wieder sauber ist. Dann gibt's zum Zmittag die aufgewärmten Hackbratenresten, jetzt im perfekten Garzustand ('tschuldigung, liebe Gäste).

Beim ebenfalls meditativen Bratschüsselschrubben lässt man das Jahr langsam Revue passieren. Das Handy piepst nicht, die Gedanken lässt man nicht beim Wandern, auch die Vorgesetzten melden sich nicht. Nie haben so viele Leute aufs Mal frei wie in diesen Tagen. Nie ist mehr Nichts-tun-müssen-Zeit, ganz ohne das Gefühl, etwas zu verpassen. Frohe Mellomjul, alle miteinander!

QOSHE - Gelobt seien die Nichts-tun-müssen-Tage nach Weihnachten - Sabine Kuster
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Gelobt seien die Nichts-tun-müssen-Tage nach Weihnachten

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27.12.2023

Heiligabend, Weihnachten und Silvester – auf den Geschenkpapiermüllberg mit diesen Feiern. Die Tage dazwischen hingegen, wo keiner mehr weiss, welcher Wochentag ist, sind wahrhaft zauberhaft.

Heute ist Mittwoch, die Zeitung liegt in Ihrem Briefkasten und die Läden haben offen. Dies zu Ihrer Orientierung. Gern geschehen. Und wenn Sie es nicht komplett übertrieben haben dieses Jahr, steht heute Abend keine Einladung an.

Man wünscht sich «Frohe Weihnachten» und «en guete Rutsch», dabei geht vergessen, dass gerade die Tage zwischen Weihnachten und Neujahr die zauberhaftesten sind. Natürlich haben sie Wochentagsnamen, sogar Daten, nur vergisst man es ständig wieder, so entspannt und unverplant ist die Zeit zwischen den Jahren. In Norwegen gibt es ein eigenes Wort für diese Wonnetage: Mellomjul (zwischen Weihnachten), Mellandagarna, heissen sie in Schweden. Was haben wir uns die verdient!

Nichts gegen Weihnachten, aber selbst wenn die Feiern alle harmonisch verlaufen sind, der Hackbraten pünktlich durchgegart war, keine........

© Luzerner Zeitung


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