In der Sicherheitspolitischen Kommission des Ständerats gelingt ein spektakulärer Deal: Die Armee bekommt rasch mehr Geld, die Ukraine soll finanziell nachhaltig unterstützt werden. Die 15 Milliarden sollen ausserordentlich, also an der Schuldenbremse vorbei, finanziert werden. Der Entscheid ist für die Schweizer Politik ein Meilenstein.

Alle, die verstanden haben, worum es in der Ukraine geht, atmen dieser Tage ein bisschen auf. Der amerikanische Kongress hat 61 Milliarden Dollar locker gemacht, um die militärische Niederlage des bedrängten Landes abzuwehren. Hinzu kommen europäische Staaten – etwa Dänemark, Tschechien, Lettland oder Grossbritannien – die sich finanziell bis zur Decke strecken, um den Ukrainern zu Hilfe zu eilen.

Zum Glück. Ein russischer Sieg wäre eine Katastrophe. Ein tapferes Volk würde brutal unterjocht, Millionen zusätzliche Flüchtlinge würden Richtung Westeuropa aufbrechen, die europäische Sicherheitsarchitektur läge in Trümmern, mit unschätzbaren Risiken auch für uns Schweizer.

Die Schweiz hat Zehntausenden Ukrainerinnen Schutz gewährt. Eine humanitäre Pflicht. Sie organisieren eine Friedenskonferenz. Das ist aussenpolitisch durchaus mutig. Angesichts von Putins Blutrünstigkeit sollten wir uns freilich keine Illusionen machen über den effektiven Wert des Treffens auf dem Bürgenstock. Sodann liefern wir nach wie vor weder direkt Waffen, was man angesichts der Neutralität ja noch nachvollziehen kann. Noch haben es Bundesrat und Parlament seit dem Beginn der russischen Invasion in der Nacht auf den 24. Februar 2022 geschafft, wenigstens anderen Staaten mit indirekten Lieferungen nicht länger im Wege zu stehen.

Bei der Konfiszierung russischer Vermögen macht die Schweiz zwar mit. Dies freilich ausgestattet mit dem Eifer eines Schülers, der gelangweilt in der hintersten Reihe hockt und den Anweisungen der strengen Lehrerin (hier: die USA) widerwillig folgt. Aktiv in der westlichen Oligarchen-Task-Force mitzumachen, das ist uns dann schon zu viel der Profilierung.

Bleiben die finanziellen Zuwendungen, etwa Zusagen für den Wiederaufbau, wovon ja direkt auch Schweizer Unternehmen profitieren könnten, wenn man das intelligent aufgleist. Leider nehmen wir auch hier international keinen vorderen Platz ein. Obwohl wir reich sind und keine Waffen schicken. Die Ukraine-Gelder sind eingeklemmt im bundespolitischen Klein-Klein, konkurrieren mit Geldern für die internationale Zusammenarbeit und Karin Keller-Sutters kategorischem Imperativ, keine Schulden zu machen.

Noch aber besteht Hoffnung. Die Sicherheitspolitische Kommission des Ständerats hat am Donnerstag einen finanz- und sicherheitspolitischen Coup beschlossen. Erstens soll die eigene Armee zügig aufgerüstet werden. Zweitens darf die Ukraine mit nachhaltigen Zusagen rechnen. Zusammen kostet beides 15 Milliarden Franken. Geplant ist eine ausserordentliche Finanzierung am Schönwetterkonstrukt Schuldenbremse vorbei. Ob das politische Husarenstück gelingt, wird sich in den kommenden Wochen weisen.

Aussergewöhnliche Zeiten verlangen nach aussergewöhnlichen Massnahmen. Es gibt legitime Gründe, die Schuldenbremse temporär und in Bezug auf Armee- und Ukraine-Finanzierung ausser Kraft zu setzen. Die brutale Dimension von Putins Krieg war so nicht vorherzusehen mit all ihren Konsequenzen. Gerade die reiche Schweiz trägt Verantwortung. Und diese erschöpft sich nicht darin, den Bundeshaushalt wie weiland Buchhalter Nötzli rappenspalterisch zu führen. Kaum ein Land hat so wenige Schulden wie die Schweiz. Wenn sich jemand etwas Grossmut leisten kann, dann ist es unser Land.

FDP und SVP, die den Armee-Ukraine-Deal kritisieren, sollten über die Bücher. Was ist denn die Alternative? Kein Geld für die Armee und kein Geld für die Ukraine, jahrelanges Seilziehen dafür ein ausgeglichenes Budget? Gefragt ist intelligente Realpolitik angesichts der Zeitenwende.

QOSHE - Rückschlag für Keller-Sutter: Mitte-links will Milliarden für Armee und Ukraine ausgeben - Stefan Schmid
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Rückschlag für Keller-Sutter: Mitte-links will Milliarden für Armee und Ukraine ausgeben

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25.04.2024

In der Sicherheitspolitischen Kommission des Ständerats gelingt ein spektakulärer Deal: Die Armee bekommt rasch mehr Geld, die Ukraine soll finanziell nachhaltig unterstützt werden. Die 15 Milliarden sollen ausserordentlich, also an der Schuldenbremse vorbei, finanziert werden. Der Entscheid ist für die Schweizer Politik ein Meilenstein.

Alle, die verstanden haben, worum es in der Ukraine geht, atmen dieser Tage ein bisschen auf. Der amerikanische Kongress hat 61 Milliarden Dollar locker gemacht, um die militärische Niederlage des bedrängten Landes abzuwehren. Hinzu kommen europäische Staaten – etwa Dänemark, Tschechien, Lettland oder Grossbritannien – die sich finanziell bis zur Decke strecken, um den Ukrainern zu Hilfe zu eilen.

Zum Glück. Ein russischer Sieg wäre eine Katastrophe. Ein tapferes Volk würde brutal unterjocht, Millionen zusätzliche Flüchtlinge würden Richtung Westeuropa aufbrechen, die europäische Sicherheitsarchitektur läge in........

© Luzerner Zeitung


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