Religionsunterricht stärke "Herz, Geist und Charakter", ließ der christsoziale Ministerpräsident Markus Söder vergangene Woche verlauten. Schon zuvor setzte er ans Ende einer ausufernden Diskussion ein Machtwort: "Bei Religion wird nicht gekürzt." Reli bleibt, wie's is', basta. Heißt: drei Stunden Religion pro Woche für die Dritt- und Viertklässler in Deutschlands zweit-katholischstem Bundesland (nur im Saarland leben mehr Katholiken). Ist das sinnvoll?

Bevor man darüber debattiert, wie viel Religionsunterricht ein achtjähriger kleiner Bayer braucht, muss eine andere Frage gestellt werden: Ist es noch zeitgemäß, Kinder getrennt nach Religionen zu unterrichten? Die Antwort ist klar: Nein. Die Religionslandschaft ist differenzierter geworden. Längst nicht mehr lassen sich Schulklassen fein säuberlich aufteilen in "die Evangelischen" und "die Katholischen" ohne dass ein – immer größerer – Rest sowieso in den Ethikunterricht muss. Immer weniger Kinder werden getauft, durch Zuwanderung gehören verschiedene Glaubensansätze schon lange zum Alltag in deutschen Schulklassen.

Warum also nicht ein Fach für alle? Ein Unterricht gestaltet von Menschen, die sich mit Theologie auskennen – aber auch mit Philosophie oder Soziologie. Keine Pfarrer, Pastoralreferenten und Diakone, die aus den angestaubten Bistümern und Pfarreien des Freistaats in die Klassenzimmer entsandt werden, sondern Pädagoginnen und Pädagogen, die mit Kindern über verschiedene Weltanschauungsmöglichkeiten sprechen.

Ein Unterricht, in dem Kinder lernen, über das zu sprechen, was sie selbst, was ihre Familien glauben, nach welchen Werten sie leben – und sie befähigt, denen zuzuhören, die etwas anderes glauben. Kinder müssen Diskursfähigkeit lernen, denn die Welt wird sich nicht zurückdrehen. Auch nicht in Bayern. Neugierde, Offenheit und die Fähigkeit, mitzureden und zuzuhören - das ist es, was Herz, Geist und Charakter erst so richtig stark macht. Und das zu lernen, darf dann auch gerne drei Stunden die Woche einnehmen.

QOSHE - Kommentar zur Grundschulreform: Statt Religion sollte ein Fach für alle eingeführt werden - Lara Meißner
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Kommentar zur Grundschulreform: Statt Religion sollte ein Fach für alle eingeführt werden

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08.03.2024

Religionsunterricht stärke "Herz, Geist und Charakter", ließ der christsoziale Ministerpräsident Markus Söder vergangene Woche verlauten. Schon zuvor setzte er ans Ende einer ausufernden Diskussion ein Machtwort: "Bei Religion wird nicht gekürzt." Reli bleibt, wie's is', basta. Heißt: drei Stunden Religion pro Woche für die Dritt- und Viertklässler in Deutschlands zweit-katholischstem Bundesland (nur im Saarland leben mehr Katholiken). Ist das sinnvoll?

Bevor man darüber debattiert, wie viel........

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