Ich beklage schon jahrzehntelang die Zerstörung der Landschaft durch den Braunkohletagebau. Ich bedauere die Menschen, die Haus und Hof aufgeben und die Orte ihrer Kindheit verlassen mussten, weil ihre Dörfer abgebaggert wurden. Wer sagt, diese Leute hätten anderswo schönere Häuser als zuvor bekommen und sie sollten sich nicht so haben, hat kein Herz. Ich spüre die Klimakrise im eigenen Kleingarten und bin mir bewusst, dass der Kohleausstieg so schnell wie möglich kommen muss.

Ich gebe aber auch zu, dass ich die Männer und Frauen mit den vom Kohlestaub verschmierten Gesichtern immer bewundert habe. Das waren Helden für mich, schon in meiner Kindheit in den 70er Jahren, selbst wenn ich damals nie einen persönlich getroffen habe. Ich kannte sie von Fotos in den Zeitungen. Wenn Weihnachten in harten Wintern Stromsperre war, bin ich nicht sauer gewesen wegen des Märchenfilms, den ich dann im Fernsehen nicht zu Ende schauen konnte. Meine Eltern sind mit Kerzen ins Wohnzimmer gekommen. Das war romantisch. Ich wusste früh, da schuften jetzt tapfere Bergleute, und es stehen Soldaten mit Spitzhacken an den Förderbändern und sorgen dafür, dass die Braunkohle nicht anfriert. Wenn es nachher die Bescherung gibt, dann wird wieder Strom für das Lampenlicht fließen.

Als 2018 im Ruhrgebiet die letzte Schicht der Zeche Prosper-Haniel in Bottrop den Schacht verließ – das war das Ende der Steinkohle in Deutschland – und die Bergleute gerührt das »Steigerlied« anstimmten, da habe ich ergriffen geweint. Wenn heute die Kumpel im Tagebau Jänschwalde das »Steigerlied« singen, dann wünsche ich ihnen viel Glück und dass sie nächstes Jahr bei der Landtagswahl nicht auf die Parole der AfD hereinfallen, man könnte mit der Braunkohle noch ewig so weitermachen. Da waren wir in der DDR schlauer. Wir wussten: Es hat ein Ende. Die Kernenergie sollte die Alternative sein. Mein Vater hat am Kernkraftwerk Stendal mitgebaut. Es ist nie in Betrieb gegangen. Das hatte mit der Reaktorkatastrophe im sowjetischen Tschernobyl zu tun. Aber das ist eine andere Geschichte.

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QOSHE - Kohlekumpel und Kohleausstieg - Andreas Fritsche
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Kohlekumpel und Kohleausstieg

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22.12.2023

Ich beklage schon jahrzehntelang die Zerstörung der Landschaft durch den Braunkohletagebau. Ich bedauere die Menschen, die Haus und Hof aufgeben und die Orte ihrer Kindheit verlassen mussten, weil ihre Dörfer abgebaggert wurden. Wer sagt, diese Leute hätten anderswo schönere Häuser als zuvor bekommen und sie sollten sich nicht so haben, hat kein Herz. Ich spüre die Klimakrise im eigenen Kleingarten und bin mir bewusst, dass der Kohleausstieg so schnell wie möglich kommen muss.

Ich gebe aber auch zu, dass ich die Männer und Frauen mit den vom Kohlestaub verschmierten Gesichtern immer........

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