»Reisen bildet«, lautete ein Diktum der Aufklärung, das sich weiterhin großer Beliebtheit erfreut. In Zeiten von Klimakrise und Flugscham wird die Floskel auch heute noch gerne bemüht, ob vom Tui-Pauschalreisenden oder der Rucksacktourist*in, die lieber jenseits der ausgetretenen touristischen Pfade unterwegs ist.

Kürzlich fand auch ich mich auf einem Interkontinentalflug wieder, ausgestattet mit der festen Überzeugung, dass sich der Bildungscharakter meiner Reise wohl eher am exzessiven Konsum des Unterhaltungsprogramms an Bord festmachen ließe. Nach Genuss des x-ten Hollywood-Blockbusters, den ich in den vergangenen Jahren im Kino zu schauen verpasst hatte, stöberte ich also im Dämmermodus durch das weitere Angebot, bis ich an dem Ausschnitt der Weltkugel kleben blieb, der den weiteren Flugverlauf anzeigte.

Ankara, Beirut, Gaza City, Cairo den nach und nach aufploppenden Städtenamen zu entnehmen, musste sich der Flieger irgendwo auf dem Weg zwischen Europa und Arabischer Halbinsel befinden. Doch etwas an der Anordnung schien mir merkwürdig zu sein. Waren vielleicht nur die Hauptstädte der umliegenden Staaten angezeigt? Nein, schließlich tauchte auch das ägyptische Luxor auf. Dann vielleicht nur diejenigen, in denen sich auch ein Flughafen befindet, suchte das vom langen Wachsein bereits etwas ermattete Gehirn, nach einer weiteren Erklärung.

Doch auch das eine Fehlannahme. In Folge des von Yitzhak Rabin und Jassir Arafat unterzeichneten Gaza-Jericho-Abkommens erlebte der Gazastreifen zum Ende des vergangenen Jahrtausends zwar eine kurze Phase der Prosperität, zu der 1998 ebenfalls die Eröffnung des Gaza International Airports bei Rafah gehörte.

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Allerdings wurde dieser im Jahr 2001 während der Zweiten Intifada von Israel bereits wieder unbrauchbar gemacht, als das Land über Jahre hinweg mit Selbstmordattentaten terrorisiert wurde, verübt von Gruppen wie Hamas, Islamischer Dschihad und den al-Aqsa-Brigaden der damals im Gazastreifen noch herrschenden Fatah.

Das war die Ursache meiner Irritation! Auf der Landkarte des kleinen Bordcomputers, angebracht auf der Rückseite meines Vordersitzes, tauchten weder Jerusalem als Hauptstadt noch Tel Aviv als israelische Stadt mit einem Flughafen auf. Selbst hier, in einer Höhe von 30 000 Fuß über dem Meeresspiegel schien Israel also ein Störfaktor zu sein. Doch auf Nachfrage bei der Airline sind deren Gründe für das canceln des »Juden unter den Staaten« (Léon Poliakov) leider nicht zu erfahren.

Dafür hallen mir als Lehre dieser Reise noch länger die Worte des US-amerikanischen Autors Reif Larsen nach. Dieser schrieb: »Eine Karte zeichnet nicht nur etwas auf, sie entschlüsselt und formuliert Bedeutung; sie schlägt Brücken zwischen hier und dort, zwischen unterschiedlichen Ideen, von denen wir vorher nicht wussten, dass sie miteinander verbunden sind.«

QOSHE - Feindbild Israel: »Cancel culture« über den Wolken? - Joel Schmidt
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Feindbild Israel: »Cancel culture« über den Wolken?

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09.02.2024

»Reisen bildet«, lautete ein Diktum der Aufklärung, das sich weiterhin großer Beliebtheit erfreut. In Zeiten von Klimakrise und Flugscham wird die Floskel auch heute noch gerne bemüht, ob vom Tui-Pauschalreisenden oder der Rucksacktourist*in, die lieber jenseits der ausgetretenen touristischen Pfade unterwegs ist.

Kürzlich fand auch ich mich auf einem Interkontinentalflug wieder, ausgestattet mit der festen Überzeugung, dass sich der Bildungscharakter meiner Reise wohl eher am exzessiven Konsum des Unterhaltungsprogramms an Bord festmachen ließe. Nach Genuss des x-ten Hollywood-Blockbusters, den ich in den vergangenen Jahren im Kino zu schauen verpasst hatte, stöberte ich also im Dämmermodus durch das weitere Angebot, bis ich an dem Ausschnitt der........

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