An Rhein und Ruhr. Seit einem Jahr gibt es das Deutschlandticket. Eine Tarifrevolution gewiss, aber noch keine Verkehrsrevolution. Woran das liegt.

Wie das bei Revolutionen so ist: Wenn man sie ausruft, kann man das Ergebnis bestenfalls erahnen, kaum aber vorhersagen. So auch beim Deutschlandticket: Eine derartige Nahverkehrs-Flatrate ist Neuland, abgesehen vom wohlhabenden Luxemburg, Mallorca und den Kanaren, die Gratisnahverkehr anbieten. Allenfalls das Klimaticket Österreichs ist ähnlich, aber deutlich teurer bei einem deutlich kleineren Gebiet.

Das Deutschlandticket hat die Nahverkehrsnutzung für Millionen Menschen einfacher und günstiger gemacht. Was es allerdings nicht oder nur sehr begrenzt schafft: Autofahrer*innen zum Umstieg zu bewegen, nicht mal für mickrige 1,50 Euro am Tag. So profitieren vor allem Bahnfernpendler von deutlichen Ersparnissen, die wir alle über unsere Steuergelder mittragen müssen.

Ob mit dem Geld an anderer Stelle klimawirksamere Investitionen möglich gewesen wären, ist müßig zu diskutieren. Ebenso, ob es vielleicht nicht zielführender im Sinne des Klimaschutzes wäre, Dienstwagenprivilegien abzuschaffen, Tempolimits einzuführen, Rad- und Fußverkehrswege zu stärken und innovativ mit Angeboten in Bus und Bahn zu verknüpfen. (Nebenbei: Die gesellschaftlichen Kosten für Flächenfraß, Infrastruktur- und Umweltkosten liegen übrigens bei etwa 5000 Euro pro Kfz. Daran ändert der Umstieg auf ein E-Auto nur wenig.)

Doch da steht die FDP weiterhin auf der Bremse und die mächtige Autofahrer- und Autobauerlobby hinter ihr. Dass ohne politische Gegenwehr hingenommen wird, wie Verkehrsunternehmen mit eher fadenscheinigen Argumenten E-Rad- und Rollernutzer aus den Bussen und Bahnen treiben, tut der Verknüpfung ökologisch sinnvoller Verkehrsmittel zudem erheblichen Abbruch.

Indes, die Tarifrevolution, die das Deutschlandticket ausgelöst hat, wäre nur mit erheblichen politischen Flurschaden wieder zurückzunehmen. Daher gilt es jetzt, die neue Flatrate-Tarifwirklichkelt zu gestalten. Was damit einhergehen muss, die Tarifabteilungen bei den Verkehrsverbünden deutlich zu reduzieren.

Was noch fehlt in der Flatrate-Tarifwelt, sind sinnvolle, ebenso einfach verständliche Lösungen für Gelegenheitsnutzer und Touristen. Flatrates für Städte, Länder und Regionen für Tage oder Wochen bieten sich da an. Womöglich wäre das Tarifsystem, wie es „

Einchecken. Losfahren. Auschecken. Und nur die Luftlinienkilometer bezahlen. Damit wirbt der NIAG für eine günstige Ticket-Alternative, dem eezy-Tarif. Und so geht‘s: Unmittelbar vor dem Einstieg in Bus und Bahn auf dem Smartphone die neue NIAG-App öffnen und dort auf einen „Check In“-Button tippen. Unterwegs wird ein QR-Code auf dem Bildschirm für die Ticketkontrolle angezeigt. Bei der Ankunft am Ziel checken Fahrgäste einfach per Fingertipp wieder aus. Abgerechnet wird die Fahrt nach einem Grundpreis (1,64 Euro) plus den gefahrenen Luftlinienkilometern (0,27 Euro) zwischen Start und Ziel.

“ anbietet, fairer und gerechter gewesen, mit seinem Ein- und Auschecken samt Preisen per Luftlinie. Indes: Dieser Zug scheint abgefahren.

Auch, wenn dieses System möglich gemacht hätte, was Digital- und Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) noch schuldig bleibt. Er, der so vehement auf einem Digitalticket beharrt hat, liefert bislang Auswertungen, die nachvollziehbar machen, wo Nahverkehr gut gern genutzt werden kann (und damit auch teurer sein dürfte als 49 Euro im Monat) und wo der hochgradig subventionierte Nahverkehr am potenziellen Nutzer vorbeifährt und günstiger sein müsste.

Sinnvoll und motivierend für Nahverkehrsanbieter wäre es, wenn nach Postleitzahlgebieten aufgeschlüsselt würde, wie hoch die Zahl der Deutschlandticketnutzer ist. Danach müsste sich auch der Preis bemessen: Denn Marktwirtschaft heißt auch: Dort, wo das Angebot die Bedürfnisse des Nutzers trifft, darf der Preis steigen.

Gerade auch dann, wenn man die Autonutzung vom Parken bis zur Höchstgeschwindigkeit erschwert und die Städte grüner und lebenswerter macht und mit der Mär aufräumt, dass ausgerechnet umweltschädliche und gefährliche Blechkisten Städte für Menschen attraktiver machen.

Denn, um die Mobilitätsanforderungen zu befriedigen, muss Nahverkehr stattfinden – und das hinreichend zuverlässig. Sprich: die knappen Ressourcen an Geld, Personal, freien Trassen der Bahn müssen so effizient wie möglich eingesetzt werden.

Und die Zuverlässigkeit dem des eigenen Autos zumindest nahekommen. Streik, Sabotagen, Bauarbeiten, Mängel an Zug und Strecke, Ausfälle wegen der vier Jahreszeiten verärgern bestehende und potenzielle Kunden derzeit so stark, dass sie kaum vom Auto auf den ÖPNV umsteigen. Vom umweltfreundlichen Verzicht auf den eigenen PKW ganz zu schweigen.

QOSHE - Ein Meilenstein, aber nicht die Endstation - Stephan Hermsen
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Ein Meilenstein, aber nicht die Endstation

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29.04.2024

An Rhein und Ruhr. Seit einem Jahr gibt es das Deutschlandticket. Eine Tarifrevolution gewiss, aber noch keine Verkehrsrevolution. Woran das liegt.

Wie das bei Revolutionen so ist: Wenn man sie ausruft, kann man das Ergebnis bestenfalls erahnen, kaum aber vorhersagen. So auch beim Deutschlandticket: Eine derartige Nahverkehrs-Flatrate ist Neuland, abgesehen vom wohlhabenden Luxemburg, Mallorca und den Kanaren, die Gratisnahverkehr anbieten. Allenfalls das Klimaticket Österreichs ist ähnlich, aber deutlich teurer bei einem deutlich kleineren Gebiet.

Das Deutschlandticket hat die Nahverkehrsnutzung für Millionen Menschen einfacher und günstiger gemacht. Was es allerdings nicht oder nur sehr begrenzt schafft: Autofahrer*innen zum Umstieg zu bewegen, nicht mal für mickrige 1,50 Euro am Tag. So profitieren vor allem Bahnfernpendler von deutlichen Ersparnissen, die wir alle über unsere Steuergelder mittragen müssen.

Ob mit dem Geld an anderer Stelle klimawirksamere Investitionen möglich gewesen wären, ist müßig zu diskutieren. Ebenso, ob es vielleicht nicht zielführender im Sinne des Klimaschutzes wäre, Dienstwagenprivilegien abzuschaffen, Tempolimits einzuführen, Rad- und........

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