Alfred Gusenbauer schaut derzeit nicht gut aus, unter seinen Augen furchen sich tiefe Schatten in sein Gesicht. Ihm fliegt die zerbröselnde Signa um die Ohren, die er als Chef des Beirats (Holding) und Aufsichtsratsvorsitzender (Signa Prime und Development) mitverantwortet. Davon abgesehen, dass „Gusi“ wohl recht bald beruflich ein neues Betätigungsfeld braucht, muss sich der SPÖ-Altkanzler vielleicht bald neue Freunde suchen: Die Rufe der Genossen nach seinem Rausschmiss mehren sich. Das Burgenland wäre nicht das Burgenland, wenn Hans-Peter Doskozil nicht der Erste gewesen wäre, der das medienöffentlich trommelt. SPÖ-Tirol-Chef Georg Dornauer und Oberösterreichs Landeschef Michael Linder sind für eine Ruhendstellung. Warum sind jetzt eigentlich alle gegen Gusi?

Klar, Gusenbauer verkörpert die Antithese zu dem, was die Babler-SPÖ sein will. Gusenbauer ist stinkreich. Vor allem, weil er bei René Benko Millionen für „Beratung“ jener Unternehmen kassiert hat, die er an anderer Stelle beaufsichtigt. Wofür genau, das ist nun auch eine Frage, die man sich Signa-intern stellt und von Insolvenzverwaltern genau geprüft wird. Gusenbauer hat jedenfalls noch Rechnungen offen, im Wert von Sechsmillionendreihundertfünfundsechzigtausendsechshundertneunundachtzig Euro und zweiundneunzig Cent. Ja, bei solchen Summen stockt jedem Durchschnitts-Österreicher zurecht der Atem.

Gusenbauer hat außerdem nicht unbedingt den Ruf, besonders großzügig zu sein, was die Umverteilung seines Vermögens betrifft. Er ist, anders als Babler, auch kein Vertreter des „einfachen, kleinen Mannes“, der Dialekt spricht und sich vom Schichtarbeiter hochgehantelt hat. Gusenbauer stammt zwar aus der Arbeiterschicht, ist aber mittlerweile ein hochintelligenter Spießbildungsbürger – was er weiß und andere auch gern spüren lässt. Seine arrogante Attitüde wurde ihm auch in seiner kurzen Kanzleramtszeit (2007–2008) zum Verhängnis.

Aber ist es wirklich ein Grund, jemanden aus einer Partei zu schmeißen, weil er reich ist – und/oder einen der SPÖ unsympathischen Lebensstil pflegt? Eher nicht. Sonst hätte man auch Ex-SPÖ-Kanzler Viktor Klima rausschmeißen müssen, der für VW in Südamerika im Vorstand saß und wohl ein dementsprechendes Salär bekam. Was ist mit Hannes Androsch, einst SPÖ-Finanzminister und heute Großindustrieller? Gitti Ederer, Ex-Staatssekretärin und bis zur Pension hochbezahlte Siemens-Managerin?

Parteirausschmisse sollten Menschen gebühren, die sich ideologisch komplett zur Parteilinie gedreht haben. Wie Thilo Sarazzin, einst Staatssekretär im Ministerium für Finanzen in Rheinland-Pfalz. Sie SPD warf ihn wegen seiner rechten Ausscherer und kruden Theorie-Bücher raus.

Es ist auch gerechtfertigt, wenn Parteimitglieder schwere Verbrechen begangen haben. Aber selbst dann sollte abgewogen werden, sofern sie ihre Strafe abgebüßt haben und geläutert sind, ob es gerechtfertigt ist: So wie bei Charlie Blecha, einst Innenminister und Zentralsekretär der SPÖ, heute wohlhabender Pensionist. Er wurde wegen seiner Verwicklungen in die Noricum-Affäre zu einer bedingten, neunmonatigen Haftstrafe verurteilt – und ist heute unter den roten Granden ein stets gern gesehener Zeitgenosse.

Würde Gusenbauers Parteiausschluss im Umkehrschluss nicht auch eine Prüfung von Neulingen bedingen? Würde man eine Marlene Engelhorn aufnehmen? Die Millionenerbin ist Heldin der Linken, weil sie sich für Steuergerechtigkeit einsetzt. Aktuell wird sie gefeiert, weil sie aus ihrem Erbteil 25 Millionen Euro der Allgemeinheit zur Verfügung stellen will. Das ist zwar großzügig, aber auch etwas gutsfrauenartig. Der selbstgewählte (wohl unbezahlte) Job der Dauerstudentin ist „Aktivistin“. Sie hat Reichtum zu ihrem Markenzeichen gemacht, das bringt ihr öffentliche Bühne – und die SPÖ wäre, obwohl sie rein gar nichts mit dem Leben ihrer durchschnittlichen Wähler zu tun hat, heilfroh, sie in ihren Reihen zu haben.

Wäre dieses Jahr keine Wahl, kein U-Ausschuss, den die SPÖ den angeblich zu Unrecht zu Reichen widmen will, würde es für Gusenbauer wohl anders aussehen. So, kann er sich öffentlich von Babler, ausrichten lassen, dass er ihn moralisch verurteile. Interessant, denn Gusenbauer ist seit 2021 Träger der Viktor-Adler-Plakette, der höchsten SPÖ-Auszeichnung. Freilich arbeitete Gusenbauer bei Verleihung schon für Benko und war reich. Was alle in der SPÖ wussten.

Unstrittig ist, dass Gusenbauer seiner Partei in Verbindung mit dem öffentlichen Diskurs zur Signa schadet. Er müsste sich diese Diskussion um Rausschmiss oder nicht auch nicht geben, und er könnte auch etwas für seine Genossen tun. Einmal großzügig sein. Er könnte selbst handeln. Entweder, indem er die Partei selbst verlässt. Oder alle seine Mandate bei Signa zurücklegt. Gusi, it’s up to you.

QOSHE - Armer Gusi - Anna Thalhammer
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Armer Gusi

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14.01.2024

Alfred Gusenbauer schaut derzeit nicht gut aus, unter seinen Augen furchen sich tiefe Schatten in sein Gesicht. Ihm fliegt die zerbröselnde Signa um die Ohren, die er als Chef des Beirats (Holding) und Aufsichtsratsvorsitzender (Signa Prime und Development) mitverantwortet. Davon abgesehen, dass „Gusi“ wohl recht bald beruflich ein neues Betätigungsfeld braucht, muss sich der SPÖ-Altkanzler vielleicht bald neue Freunde suchen: Die Rufe der Genossen nach seinem Rausschmiss mehren sich. Das Burgenland wäre nicht das Burgenland, wenn Hans-Peter Doskozil nicht der Erste gewesen wäre, der das medienöffentlich trommelt. SPÖ-Tirol-Chef Georg Dornauer und Oberösterreichs Landeschef Michael Linder sind für eine Ruhendstellung. Warum sind jetzt eigentlich alle gegen Gusi?

Klar, Gusenbauer verkörpert die Antithese zu dem, was die Babler-SPÖ sein will. Gusenbauer ist stinkreich. Vor allem, weil er bei René Benko Millionen für „Beratung“ jener Unternehmen kassiert hat, die er an anderer Stelle beaufsichtigt. Wofür genau, das ist nun auch eine Frage, die man sich Signa-intern stellt und von Insolvenzverwaltern genau geprüft wird. Gusenbauer hat jedenfalls noch Rechnungen offen, im Wert von........

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